Ein professionelles Verständnis, einen Karriereentwicklungsplan und digitale Kompetenzen – nur einiges, das Experten und Expertinnen aus Pflege, Pflegeforschung und -wissenschaft für die Pflege fordern. Zum internationalen Tag der Pflegeberufe haben wir Forderungen und Perspektiven in der Pflege nach unserem smart.mobile.health-Talk zum Thema „Digitalisierung in der Pflege“ zusammengefasst.
Prof. Martina Hasseler, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften
Professionelle Pflege und professionelle Pflegeberufe sind in Deutschland in ihrer Relevanz und Bedeutung am meisten unterschätzt. Wir müssen uns fragen, ob das, was Pflege eigentlich anbieten kann, nach derzeitigen Rahmenbedingungen um
gesetzt werden kann. Professionelle Pflege in ausreichender Anzahl und mit guten Arbeitsumgebungen macht einen Unterschied für Patienten*innen und Pflegebedürtige in allen Settings und Sektoren der Gesundheitsversorgung. Sie reduziert Komplikations- und Sterberaten, führt zu besseren Ergebnissen der Gesundheitsversorgung und Lebensqualität. Professionelle Pflege stützt sich auf systematisch entwickelte (auf wissenschaftlichen Studien basierte) Erkenntnisse und wendet diese überwiegend auf Einzelfälle in der Praxis an. Eine professionelle Pflegeperson kann auf Grundlage wissenschaftsorientierter Standards, Kodizes und beruflichen Erfahrungen einen Pflegebedarf diagnostizieren und erforderliche Pflege planen, umsetzen, eruieren. Professionelles Handeln in der Pflege entsteht auf Grundlage von systematischem Wissen und Erfahrungen. Prof. Hasseler leitet das Projekt „Telenursing Goes Digital“ (T-Nugd), ein Weiterbildungsangebot im Bereich digitale Kompetenzen für Pflegefachpersonen und Angehörige.
Pflege heute in 365 Tagen?
„Das T-Nugd Projekt wird erfolgreich weiter geführt, die Digitalisierung der Pflege wird mit den entsprechenden Fachwissenschaften weiterentwickelt und umgesetzt und die Pflegepraktiker*innen integriert.“
Melanie Philip, Pflegepioniere
Kleine- und mittelständische Pflegeunternehmen haben grundsätzlich die Herausforderung, dass sie kaum Overheadressourcen haben und durch die Finanzierung der Pflege auch nur eingeschränkte Investitionsmöglichkeiten. So fehlt die Möglichkeit, sich ausreichend mit der „Pflege von Morgen“ und der Arbeit am Unter-nehmen zu beschäftigen. Zeitgleich ist das Wissen über (Experten-)Themen wie z.B. Prozessoptimierung, Changemanagement, Entgeltverhandlung, Bildungsmanagement oder (digitale) Transformation und die Methodenkompetenz im eigenen Unternehmen oft gar nicht ausreichend vorhanden und kann nur zugekauft werden. Es muss im Rahmen der gesetzlichen Finanzierungsmöglichkeiten der Pflege eine Möglichkeit geschaffen werden, Investitionen in diese Themen und positive Weiterentwicklung zu ermöglichen. Diese sind für die Pflegebranche unablässig, sofern wir unsere Versorgungslandschaft zumindest erhalten oder gar verbessern möchten. E-Learning ist für uns die Eintrittskarte zum Thema Digitalisierung in der Pflege, weil es für viele intuitiv ist - aber auch da werden strategische Ansätze gebraucht.
Pflege heute in 365 Tagen?
„Die Krankenkassen haben Abrechnungswege gefunden, um Televersorgung zu finanzieren.“
Prof. Michael Prilla, TU Clausthal
Als Erfinder der „Pflegebrille 2.0“ beschäftigt sich Prof. Prilla mit der Anwendung von Augmented Reality im Pflegealltag. Hier geht es um die Unterstützung der Pflegefachkräfte durch die Aufbereitung pflegerelevanter Themen wie das Wundenmanagement per erweiterter Realität auf der Brille. Dabei legt er Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit Praktiker*innen und Expert*innen aus der Pflege, um die Bedarfe aus der Praxis in technische Arbeitsabläufe zu übersetzen. Denn: Es ist der falsche Weg, einfach mit neuen Lösungen zu kommen.
Pflege heute in 365 Tagen?
„Wir freuen uns, wenn Hilfsmittel wie die Pflegebrille Teil des Pflegealltags geworden sind und sie dort unterstützen.“
Florian Tölle, Diakovere gGmbH
Zur langfristigen Planung und strategischen Ausrichtung fehlt eine landesweite oder regionale Strategie zur digitalen Entwicklung im Gesundheitssystem, mit einer strategischen Planung für die Pflege. Diese Strategie könnte neben Anforderungen an die Pflege in der Klinik sowie der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit (Stichwort Fallakte) auch Finanzierungswege enthalten. Die digitale Transformation stellt unser Unternehmen aber auch vor Herausforderungen. Wir müssen Unsicherheiten bei den Mitarbeitenden abbauen und die Bereitschaft wecken, alte Gewohnheiten abzulegen und sich auf die „neue Technologie“ einzulassen.
Pflege heute in 365 Tagen?
„Die Vereinheitlichung über eine Digitalisierungsstrategie auf Landesebene ist gestartet.“
Millioneninvestition für die Kardiologie am Klinikum Wolfsburg
Das Klinikum Wolfsburg nimmt sein drittes Herzkatheterlabor* (HKL) in Betrieb, das zu den modernsten Deutschlands gehört. Mit der Investition stärkt das Klinikum vor allem seinen kardiologischen Schwerpunkt – hier insbesondere die Therapie von Herzrhythmusstörungen. Durch den zusätzlichen Behandlungsplatz kann die Kardiologie für Patient*innen die Wartezeit auf einen erforderlichen medizinischen Eingriff, zum Beispiel Vorhofflimmern, deutlich verkürzen. Auch die sofortige Versorgung von Herzinfarktpatient*innen wird weiter optimiert. Als Trägerin des Klinikums investierte die Stadt Wolfsburg rund 3,75 Millionen Euro.
*In einem Herzkatheterlabor werden minimal-invasive Untersuchungen des Herzens durchgeführt, um eine Vielzahl von Erkrankungen diagnostizieren und meist auch gleichzeitig behandeln zu können. Zu den Schwerpunkten der Kardiologie im Klinikum Wolfsburg zählen die Behandlung der koronaren Herzkrankheit, die Verödung von Herzrhythmusstörungen („Ablation“), die Implantation von Schrittmachern und Defibrillatoren sowie die differenzierte Therapie der Herzmuskelschwäche.
Quelle: Pressemitteilung Klinikum Wolfsburg 210325_PM_Drittes_HKL.pdf (wolfsburg.de)
Forscher entwickeln Roboterarme für die Pflege
Forscher vom DFKI Bremen und den Universitäten Oldenburg und Osnabrück entwickeln derzeit gemeinsam mit der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. ein Mehrkomponenten-Robotiksystem für Pflegebetten. Das dreijährige Projekt „AdaMeKoR“ (Adaptives und multifunktionales Mehrkomponenten-Robotersystem) wird vom Bundesforschungsministerium mit rund 1,8 Millionen Euro gefördert. Die Bremer Forscher arbeiten mit einem als Medizinprodukt zugelassenen Roboterarm, der als dritte Hand auf dem Beistelltisch installiert werden und vom Bett aus über einen Joystick gesteuert werden kann. Ziel ist es, die Steuerung so zu verfeinern, dass er für Pflegebedürftige leicht zu bedienen ist und so die Autonomie und Lebensqualität der Pflegeempfänger*innen verbessert werden. Perspektivisch könnte er auch dem Pflegepersonal beispielsweise bei körperlich herausfordernden Tätigkeiten, wie Umlagerungen, entlasten. Das Projketkonsortium besteht aus: Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. Elsfleth, Universität Osnabrück (Abteilung Pflegewissenschaft), Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH und Carl von Ossietzsky Universität Oldenburg (Assistenzsysteme und Medizintechnik sowie Organisation und Personal)., Mehr Informationen zum Projekt: Projekt AdaMeKoR – Adaptives Mehrkomponenten-Robotersystem für die Pflege
Quelle: Forscher entwickeln Roboterarme für die Pflege (aerzteblatt.de)
MIKA als neue DiGa aufgenommen
Über eine App bietet die digitale Therapiebegleitung evidenzbasierte Informationen zu Krebserkrankungen. Auch begleitet sie Betroffene mit wissenschaftlich erprobten Methoden und Techniken des Therapiemanagements, durch z.B. Bewegungstraining, Ernährungsempfehlungen und Achtsamkeitsübungen. Das Ziel: Patient*innen zu einem selbstbestimmten Leben mit der Krankheit zu befähigen. MIKA ist die bisher einzige Therapiebegleitung für Krebspatient*innen, die als Digitale Gesundheitsanwendung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet ist. Die App ist zunächst für die Anwendung bei drei gynäkologischen Krebsarten im sogenannten Fast-Track-Verfahren aufgenommen: Ovarial-, Zervix- und Endometriumkrebs. Die App steht weiterhin allen Krebspatient*innen kostenfrei zur Verfügung. MIKA wurde vom Digital Health Unternehmen Fosanis in Kooperation mit führenden onkologischen Forschungseinrichtungen und Tumorzentren wie Charité Berlin und dem Uniklinikum Leipzig entwickelt.
Quelle: Mika als neue DiGA im Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen aufgenommen: E-HEALTH-COM (e-health-com.de)
Mehr über die MIKA-App: Mika - Krebs Therapie Assistent App für iOS und Android (mitmika.de)
Lindera-App: AOK bringt digitalen Fortschritt in die Pflege
In Zusammenarbeit mit dem Health-Tech-Unternehmen Lindera hat die AOK Niedersachsen eine App in 54 niedersächsischen Pflegeheimen eingeführt, die Sturzrisiken verhindern soll. Seit Januar 2021 werden Pflegebedürftige mithilfe der Sturz-App gezielt mobilisiert. Statistisch gesehen stürzen laut dem Bericht der AOK mehr als 30 Prozent der über 65-jährigen mindestens einmal jährlich. Gründe dafür sind weniger Kraft, Beweglichkeit und Reaktionsvermögen.
Im Rahmen des zweijährigen Pilotprojekts mit der AOK werden landesweit mehr als 5.700 Seniorinnen und Senioren von den Leistungen der digitalen Mobilitätsanalyse profitieren. Die Bedienung der App ist einfach: Pflegekräfte zeichnen mit einer Tablet-Kamera oder dem Smartphone das Gangbild einer pflegebedürftigen Person in einem 20- bis 30-sekündigen Video auf. Daraufhin erkennt die Anwendung Unsicherheiten beim Gang. Auf Basis der Analyse und eines zusätzlichen Fragebogens übersetzt die künstliche Intelligenz die Ergebnisse direkt in individuelle Empfehlungen zur Sturzprävention, zum Beispiel Bewegungsangebote. Im Rahmen der Kooperation mit der AOK Niedersachsen integriert Lindera zusätzlich Übungen aus den Bereichen Mobilitätstraining und Kraft- und Balancetraining des AOK-Präventionsprogramms „Aktiv, sicher und mobil“ in das unternehmenseigene System. Durch die App-Technologie ist die Gangbildanalyse standortunabhängig einsetzbar wovon ein Flächenland wie Niedersachsen profitiert. Mehr über die Funktionsweise der App und die Perspektiven in der Pressemitteilung der AOK: https://gkv-netzwerk.de/aok-niedersachsen-bringt-digitalen-fortschritt-in-die-pflege-lindera-app-soll-sturzrisiko-bei-pflegeheimbewohnern-verringern-10376/
Quelle: https://gkv-netzwerk.de/aok-niedersachsen-bringt-digitalen-fortschritt-in-die-pflege-lindera-app-soll-sturzrisiko-bei-pflegeheimbewohnern-verringern-10376/
Niedersachsen schließt einjährigen Vertrag zur Nutzung der LUCA-App ab
Die LUCA-App macht eine Kontaktverfolgung in Geschäften, Restaurants oder Kinos möglich und läuft kostenlos auf allen gängigen Smartphones. Das Bundesland Niedersachsen hat im März den Vertrag zur Nutzung der LUCA-App abgeschlossen. Der Service soll in den ersten Modellkommunen starten, demnächst sollen alle 43 Gesundheitsämter in Niedersachsen an das LUCA-System angeschlossen sein. Die Summe für die Nutzung in diesem Zeitraum beträgt inklusive aller Nebenkosten rund 3 Millionen Euro.
Quelle: Niedersachsen schließt einjährigen Vertrag zur Nutzung der LUCA App ab | Nds. Ministerium für Inneres und Sport
Das PflegeLAB steht für „Pflegelabor“ und ist ein eigens eingerichtetes Trainings- und Simulationszentrum für Auszubildende in der Pflege. Seit Februar steht hier nun vor allem eines im Fokus: Die Stärkung des Pflege-Nachwuchses. Mit dem PflegeLAB hat das Klinikum Braunschweig ein neues Projekt gestartet, das Auszubildenden mehr Sicherheit für ihren Beruf vermitteln soll: ein Ort, an dem Fehler erlaubt und Üben erwünscht ist. Das PflegeLAb ist eine Erweiterung des vorherigen Angebots im Rahmen der Lernwerkstatt, in der Auszubildende bestimmte pflegerische Handlungsschritte üben und festigen konnten. Das PflegeLAB ermöglicht ein intensives, praxisnahes Lernen unter nahezu realen Bedingungen, u.a. mit Hilfe einer Simulationspuppe. Kleingruppen von zwei bis sechs Teilnehmer*innen werden von der Lehrkraft und den Praxisanleiterinnen angeleitet. Initiiert wurde das PflegeLAB von der Lehrerin für Pflegeberufe Melanie Sauerborn und Praxiskoordinatorin Gabriele Nolte. Unterstützt wurden die beiden dabei von Schulleiterin Michaela Picker und Pflegedirektor Christian Faßmann-Heins.
Quellen: Aktuelles & Veranstaltungen - Aktuelles - Städtisches Klinikum Braunschweig gGmbH (klinikum-braunschweig.de); https://klinikum-braunschweig.de/aktuelles-veranstaltungen/aktuelles.php?article=300
Bildnachweis: Klinikum Braunschweig/ Nick Neufeld
Seit Jahresbeginn arbeiten die Einrichtungen gemeinsam im Rahmen eines Versorgungsvertrages zusammen: eine spazielisierte Tumordiagnistik soll schwer an Krebs erkrankten Patienten in fortgeschrittenem Stadium weitere Therapieoptionen ermöglichen. Die Krebszentren von UMG und MHH, die unter dem Dach des Comprehensive Cancer Center Niedersachsen (CCC-N) als onkologisches Spitzenzentrum kooperieren, erweitern mit einem gemeinsamen Versorgungsvertrag mit der AOK ihre Tumordiagnostik. Versicherte der AOK Niedersachsen können sich jetzt unter bestimmten Bedingungen in ein spezielles Behandlungsprogramm beider medizinischen Hochschulen einschreiben lassen. Experten untersuchen die Tumorproben der Patienten mit dem Ziel, spezifische Merkmale des Tumors zu erkennen. Eine Fachkonferenz beider Einrichtungen diskutiert in einem standortübergreifenden Molekularen Tumorboard (SMTB) daraufhin interdisziplinär die molekularpathologischen Befunde der Patienten. Gemeinsam beraten sie sich zu möglichen neuen Therapieoptionen und erarbeiten individuelle Therapieempfehlungen. Perspektivisch sollen auch Patient*innen anderer Kliniken von der Expertise und den Spezialuntersuchungen profitieren. Patienten außerhalb der MHH und UMG müssen für diese Diagnostik keine weite Fahrt antreten, da lediglich die Tumorproben an die Standorte geschickt werden müssen. So wird ein landesweites Netzwerk entstehen, das Patienten den Zugang zu einer spezialisierten Tumordiagnostik über ihre behandelnde Klinik oder onkologische Facharztpraxis vor Ort ermöglicht. Weitere Informationen finden Sie hier: www.ccc-niedersachsen.eu
Quelle: Pressemitteilung UMG: News Detail | UMG
Bildnachweis: https://www.ccc-niedersachsen.eu/news-detail/detail/news/spezialisierte-tumordiagnostik-fuer-schwer-erkrankte-krebspatienten/
Der Direktor der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover, Prof. Tobias Welte, ist Co-Autor und Vertreter der Leitlinie in Deutschland. Erstmals hat die European Respiratory Society (ERS) eine europäische Leitlinie zur stationären Behandlung von COVID19-Patienti*innen herausgegeben, der Schwerpunkt liegt auf der medikamentösen Therapie im Krankenhaus. Dazu Professor Welte: "Die Empfehlungen sind für alle Phasen der stationären Therapie sehr eindeutig. So wird beispielsweise davon abgeraten, bei hospitalisierten Patienten den Wirkstoff Remdesivir einzusetzen – nach Datenlage der Leitlinie ist er nicht effektiv. Ob Remdesivir in einer sehr frühen Phase der Erkrankung, bei weitgehend symptomfreien Patienten im ambulanten Bereich, eine Rolle spielen kann, ist noch nicht abschließend geklärt. In der späten Phase von COVID-19 kann das Immunsystem der Betroffenen fehlerhafte, oft überschießende Entzündungsprozesse auslösen. Dagegen wird Cortison angewandt, dies wird in den Leitlinien ausdrücklich empfohlen. Bei sehr kranken Patientinnen und Patienten wird darüber hinaus aber zusätzlich die Gabe von Antikörpern gegen den Botenstoff Interleukin 6 empfohlen." Neben medikamentösen Empfehlungen enthalten die Leitlinien auch Empfehlungen zur Sauerstoffgabe und Beatmung von COVID-19- Patientinnen und -Patienten. Die Leitlinie ist mit kommentierenden Zwischentexten versehen. In die ERS-Leitlinie sind nicht nur unzählige veröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten eingeflossen, sondern auch Studien, die erst demnächst publiziert werden. Bei der Erstellung der Leitlinien wurde das sogenannte GRADE-System angewandt. Bei dieser Methodik erfolgt eine Qualitätsbewertung der Studien nach ihrer Evidenz, diese Qualität wiederum hat Auswirkungen auf die Stärke einer Empfehlung. Da jeden Tag neue wissenschaftliche Erkenntnisse über das Virus und die Erkrankung gewonnen werden, wird auch die ERS-Leitlinie stetig aktualisiert. Die jetzt für Europa herausgegebenen Empfehlungen der ERS unterscheidet sich in keinem Punkt wesentlich von den kürzlich im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Deutschen Leitlinien.
Quelle: https://www.hannover.de/Service/Presse-Medien/Hannover.de/Aktuelles/Wirtschaft-Wissenschaft-2021/Erste-europaweite-Leitlinie-zur-station%C3%A4ren-Behandlung-von-COVID-19-Erkrankten#
Die Universitätsmedizin Göttingen wurde mit dem Preis für Gesundheitsnetzwerker ausgezeichnet. Das Projekt "Optimierung der Notfallversorgung durch strukturierte Einschätzung mittels intelligenter Assistenzdienste" (Optinofa), ein intelligenter Assistenzdienst zur sektorübergreifenden Triage in der Notfallversorgung wurde mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. Das Ziel ist eine bedarfsgerechte und differenzierte Steuerung von Notfallpatient*innen, durch innerklinisch tätige Notfallmediziner, in die verschiedenen Sektoren zu ermöglichen. Per Tablet, Algorithmen und KI kann eine strukturierte Zuordnung zur erforderlichen Versorgungsstufe im ambulanten oder stationären Sektor erfolgen. Die Software soll – im Sinne einer Navigation – einen raschen und ortsunabhängigen mobilen Zugriff auf die für die Ersteinschätzung erforderlichen wissenschaftlichen Informationen erlauben. Laut der Jury wird durch Optinofa das Grundproblem der nicht adäquaten Inanspruchnahme der Notfallversorgung adressiert. Durch die Qualitätsbewertung mit Optinofa werden Ärzt*innen bei nicht immer einfachen Entscheidungen unterstützt. Das versorgungsnahe Projekt wird ür dreieinhalb Jahre mit 4,3 Millionen Euro gefördert. Im Erfolgsfall kann das Verfahren bundesweit eingesetzt werden. Konsortialpartner sind: Universitätsmedizin Göttingen, Interdiszipilinäre Notaufnahme (INA), UMG, Institut für Medizinische Informatik (IMI), UMG, Institut für Medizinische Statistik (IMS), UMG, Institut für Allgemeinmedizin (IAM), Otto von Guericke-Universität Magdeburg (OVGU), Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Hochschule Heilbronn (HHN), AOK Niedersachsen, DAK-Gesundheit (DAK), Techniker Krankenkasse (TK). Mehr Informationen zum Projekt hier: OPTINOFA Homepage (uni-goettingen.de)
Quellen: OPTINOFA Homepage (uni-goettingen.de), Innovationen: Drei Projekte mit Preis für Gesundheitsnetzwerker ausgezeichnet - kma Online (kma-online.de)
Bildnachweis: OPTINOFA Homepage
Im Auf den Punkt-Interview durften wir uns mit der seit Anfang März amtierenden Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Daniela Behrens, über die Gesundheitswirtschaft in der Metropolregion unterhalten. Vielen Dank Frau Behrens und weiterhin viel Erfolg bei den für uns alle so wichtigen Herausforderungen!
GesundheIT: Zum Einstieg: Wie ist es Ihnen in den ersten Wochen seit Ihrem Amtsantritt ergangen? Wie ist das Ankommen im neuen Amt in so einer in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Zeit?
Frau Behrens: Ich habe das Amt in turbulenten Zeiten übernommen. Es gab keine Eingewöhnungsphase. Ich bin ja quasi ins „kalte Wasser gesprungen“. Zum Glück ist mir im Ministerium ein tolles Team begegnet, das mich von Anbeginn gut unterstützt hat. Mittlerweile hatte ich auch schon Gelegenheit, mich bei der einen oder anderen Institution vorzustellen, habe viele Gespräche und auch einige Interviews geführt. Im Mittelpunkt steht derzeit ganz klar das Pandemie-Krisenmanagement. Mir liegt am Herzen, dass wir so bald wie möglich eine hohe Impfquote erreichen. Darüber hinaus ist mir wichtig, dass wir unsere Maßnahmen und Entscheidungen gut vermitteln, damit die Menschen uns vertrauensvoll begleiten. Zu diesem Zwecke habe ich in Niedersachsenn unter Beteiligung der verschiedensten Akteurinnen und Akteure einen „Impfpakt“ geschlossen. Wir können das Virus nur besiegen, wenn wir alle an einem Strang ziehen, auch wenn wir den Einzelnen im Moment viel abverlangen. Langfristig wünsche ich mir, mehr Termine in unserem schönen Bundesland wahrnehmen zu können. Der direkte Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern ist mir wichtig. Ich möchte über die Themen, die bewegen, ins Gespräch kommen. Derzeit beherrscht die Pandemiebekämpfung den politischen Alltag, ich will mich auch wieder mehr Themen aus den Bereichen Soziales, Gesundheit und Gleichstellung widmen.
GesundheIT: Beim Nachverfolgen gibt es zuletzt durch zahlreiche neue Apps Fortschritte. Die Luca-App wird in der Fachpresse derzeit vielfach kritisiert. In einigen Kommunen auch in der Metropolregion wird die Pass Go-App genutzt, die Testzentren, Handel und Veranstalter sowie Kunden miteinander verbindet und damit stärker vorbeugend wirkt. Wie wird sichergestellt, dass die unterschiedlichen Lösungen kompatibel zueinander sind, wir also beim Pendeln in der Region nicht mehrere Apps nutzen müssen und die Kontaktnachverfolgung über kommunale Grenzen hinaus möglich ist?
Frau Behrens: Zunächst dazu vielleicht der Hinweis zur Klarstellung, dass die unterschiedlichen Apps unterschiedliche Ziele verfolgen. Die Luca-App verfolgt primär das Ziel, eine digitale Kontaktnachverfolgung zu ermöglichen, um die papierbasierte Kontaktnachverfolgung aus dem Sommer 2020 abzulösen. Die digitale Einbindung der Gesundheitsämter, als örtlich zuständige Behörde nach dem Infektionsschutzgesetz, ist das zentrale Herzstück dieser App. Damit wird strukturiert und effizient eine Nachverfolgung von Kontaktpersonen nach Bekanntwerden eines Infektionsfalles ermöglicht. Durch diese Kontaktnachverfolgung können Infektionsketten unterbrochen werden - eine elementare Strategie im Kampf gegen die Verbreitung des Virus. Der Niedersächsischen Landesregierung ist eine landeseinheitliche Lösung wichtig und darum wurde allen Kommunen das Angebot unterbreitet, sich dem Luca-System anzuschließen. Inzwischen verwenden acht weitere Bundesländer dieses System (BW,MV,HH, Saarland, HE, Sachsen-Anhalt, BB, BE). Die Kompatibilität unterschiedlicher Systeme ist über Schnittstellen zu gewährleisten.
GesundheIT: In wie weit können wir den öffentlichen Gesundheitsdienst regional stärken und vernetzen?
Frau Behrens: Die aktuelle Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ist, um eine Schadens- oder Gefahrenlage dieses Ausmaßes wirksam in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig hat die Corona-Krise auch allen vor Augen geführt, dass eine nachhaltige Stärkung des ÖGD dringend geboten ist. Vor diesem Hintergrund haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 29. September 2020 den Pakt für den ÖGD beschlossen. Kernpunkt dieses Paktes ist eine Förderung des ÖGD durch den Bund mit einem Betrag von 4 Mrd. Euro bis zum Jahr 2026. Mit diesem Betrag sollen u. a. bundesweit mindestens 5.000 neue Vollzeitstellen für Fach- und Verwaltungspersonal geschaffen werden. 90 Prozent der auf Niedersachsen entfallenden Stellen werden in den örtlichen Gesundheitsämtern geschaffen. Viele Kommunen haben aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie bereits Personal für die Gesundheitsämter eingestellt, sodass der Personalaufwuchs in Niedersachsen schon gut vorangeschritten ist.
Im Pakt für den ÖGD ist auch vereinbart, dass das Bundesministerium für Gesundheit ein Förderprogramm zur Digitalisierung des ÖGD über 800 Mio. Euro auflegt. Das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) wird bis Ende 2022 allen Gesundheitsbehörden zur Verfügung gestellt. Hierbei werden bereits bestehende Systeme, wie z. B. SORMAS („Surveillance Outbreak Response Management and Analysis System“), berücksichtigt. SORMAS ist ein Pandemie-Management-System (Fall- und Kontaktmanagement). Damit wird das bestehende digitale Meldesystem um ein (mobiles) Kontaktpersonenmanagement erweitert und auf die Bedürfnisse des ÖGD angepasst. Über die 4 Mrd. Euro hinaus hat der Bund bereits in 2020 Finanzhilfen in Höhe von 50 Millionen Euro gemäß Artikel 104b Absatz 1 des Grundgesetzes für die Digitalisierung in den Gesundheitsämtern bereitgestellt. Auf Niedersachsen entfallen rund 4,7 Mio. Euro. Damit sollen die Ämter u. a. hinsichtlich der technischen Ausstattung und der Digitalisierung von Arbeitsabläufen gestärkt werden, um ihre Aufgaben, insbesondere nach § 14 IfSG, wahrzunehmen. Die Mittel können auch rückwirkend für Investitionen seit dem 28.03.2020 (Zeitpunkt der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag) eingesetzt werden.
GesundheIT: Auch die stationäre Versorgung ist immer wieder im Gespräch. Krankenhausstrukturfonds und Krankenhauszukunftsgesetz sind zwei Stichworte. Gleichzeitig gibt es erbitterte Kämpfe um einzelne Standorte. Welche Anreize kann das Land für noch stärker regional bezogene, sektorenübergreifende Versorgungskonzepte und deren Umsetzung setzen?
Frau Behrens: Zunächst einmal freue ich mich, dass wir mit dem Strukturfonds II und dem Krankenhauszukunftsgesetz einige Möglichkeiten haben, in den Krankenhausbereich zu investieren. Zum Strukturfonds II gibt es viele Anträge und Nachfragen von Trägern, in verschiedenen Regionen (Heidekreis, Vechta, Diepholz, Aurich, Nienburg) die Krankenhausstruktur zu optimieren. Und es sind viele grundlegende Strukturprojekte auf den Weg gebracht worden. Daher meine ich, dass wir in Niedersachsen hier auf einem sehr guten Weg sind. Mit dem Krankenhaustrukturgesetz werden wir die Digitalisierung in allen 169 niedersächsischen Krankenhäusern vorantreiben. Die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, werden die Patientensicherheit weiter stärken und die Verzahnung der verschiedenen Leistungsbereiche ermöglichen.
Darüber hinaus ist geplant, die Krankenhausplanung grundlegend zu reformieren. Wir werden zum Beispiel mindestens acht neue Versorgungsregionen definieren, um stärker regionsbezogen planen zu können. Das wird uns in die Lage versetzen, regionale Versorgungskonzepte zu erstellen. Diese sollen zum Ziel haben, die Krankenhaustrukturen in den Regionen weiter zu optimieren und dort, wo einzelne Krankenhausstandorte langfristig keine Zukunft haben werden, regionale Gesundheitszentren aufzubauen und sektorenübergreifende Modelle zu etablieren. Letztendlich werden wir auch die Ziele der Krankenhausplanung neu festlegen. Hier wird es darum gehen, welche Angebote in welcher Zeit zu erreichen sind und welche Mindeststandards bei der personellen und strukturellen Ausstattung der Krankenhäuser gelten sollen. Es ist davon auszugehen, dass auf dieser Grundlage in einigen Regionen die Krankenhausstruktur verändert werden muss.
Ein wichtiger Baustein für eine regionale sektorenübergreifende Versorgung ist also die vorgenannte Stärkung von zentralisierten Standorten, um damit ein breites Leistungssortiment an einem Ort zu ermöglichen.Dort könnten sich neben einer Arztpraxis (Hausärzte; eventuell ergänzt um wesentliche Facharztangebote) z.B. auch ambulante Pflege, Physiotherapie u.ä. finden. Dies wird dann in der Regel auch interessant für Apotheken. Solche intersektoralen Angebote schaffen für eine Region schon mal eine ausgezeichnete ambulante Grundversorgung. Das hat zudem den Charme, dass solche Versorgungszentren in der Regel auch Anstellungsmöglichkeiten für junge Nachwuchsärzte und –ärztinnen bieten, die häufig den Gang in die Selbstständigkeit scheuen. Damit kann es gelingen, Strukturen dauerhaft zu etablieren. Entscheidend ist dabei natürlich eine gute Erreichbarkeit auch für in der Mobilität eingeschränkte Menschen – das haben wir gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium im Blick. Die Enquetekommission des Landtages zur medizinischen Versorgung hat diesen Ansatz vom Grundsatz her aufgegriffen. Die Idee der „Regionalen Gesundheitszentren“ ließe sich noch um „Krankenhaus“- Elemente anreichern – etwa wenn es um eine bettenführende Pflegeeinheit (z.B. für stationäre Vor-/Nachsorge) oder um ein ambulantes OP-Zentrum geht. Bis zur Umsetzung der Regionalen Gesundheitszentren sind noch einige rechtliche Hürden zu überwinden. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir ein solch innovatives Versorgungsmodell – gemeinsam mit unseren Partnern aus der Gesundheitsversorgung und den Kommunen – für die niedersächsischen Patientinnen und Patienten auf die Beine stellen. Ergänzend möchte ich erwähnen, dass wir schon sehr früh ein Förderangebot an die kommunale Ebene zur Etablierung kommunaler Medizinischer Versorgungszentren adressiert hatten, um über Erweiterungen vor Ort auch intersektorale Versorgungsansätze zu ermöglichen (etwa über Anbindung ambulante Pflege oder Heilmittelerbringer).
GesundheIT: Ein anderes Thema, das derzeit Aufwind erhält, ist die Telemedizin gepaart mit Telemonitoring. Das Blutdruckinstitut aus Göttingen mit der Telemedizinlösung SciTIM ist hier beispielhaft zu nennen. Wie bekommen wir solche funktionierenden und medizinisch validen Lösungen in die Regelversorgung?
Frau Behrens: Die Telemedizin bietet viele Möglichkeiten, die Versorgung zu verbessern. Das gilt insbesondere für das Flächenland Niedersachsen: Telemedizin kann spezielle medizinische Leistungen an fast jeden beliebigen Ort transportieren, um eine gute Versorgung zu gewährleisten. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen sowohl in der vertragsärztlichen als auch -zahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hierüber positiv entschieden hat. Der G-BA ist das höchste Beschlussgremium im Gesundheitswesen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien, welche medizinischen Leistungen gesetzlich krankenversicherte Personen beanspruchen können. Am 17.12.2020 hat der G-BA beispielsweise einen positiven Beschluss zum Telemonitoring bei Herzinsuffizienz gefasst. Künftig gehört die lückenlose telemedizinische Betreuung von Patientinnen und Patienten mit einer fortgeschrittenen Herzschwäche zum ambulanten Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenkassen. Diese Entscheidung begrüße ich sehr.
Daneben haben Krankenkassen die Möglichkeit, Verträge zur besonderen Versorgung abzuschließen, die auch telemedizinische Leistungen beinhalten können. Durch das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) haben Krankenkassen für solche selektivvertraglichen Regelungen erweiterte Spielräume erhalten, z.B. kann regionalen Bedürfnissen in der Versorgung besser Rechnung getragen werden. Krankenkassen haben die Möglichkeit, Versorgungsinnovationen auf freiwilliger Basis im Rahmen von Verträgen zur besonderen Versorgung weiterzuführen, wenn das Projekt durch den Innovationsfonds gefördert worden ist.
Bei dem von Ihnen benannten SciTIM handelt es sich um ein Blutdruck-Telemonitoring mit Hilfe dessen Patientinnen und Patienten über eine App ihre Blutdruckwerte direkt in die jeweiligen Arztinformationssysteme der behandelnden Ärztinnen und Ärzte übertragen können. Mit der Verordnung über das Verfahren und die Anforderungen der Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung, DiGAV) wurden die Möglichkeiten der Finanzierung von Gesundheits-Apps in der Regelversorgung geschaffen, so dass eine Verordnung dieser Apps per Rezept möglich ist. Inwieweit für die Lösung SciTIM eine Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte möglich ist, kann seitens meines Hauses nicht beurteilt werden. Die Voraussetzungen hierfür sind in der DiGAV beschrieben. Grundsätzlich haben wir ein großes Interesse daran, nachhaltige telemedizinische Lösungen zu befördern und sie in die Regelversorgung zu überführen. Ich würde mich freuen, wenn die Krankenkassen verstärkt von der Möglichkeit von Vertragsschließungen zur besonderen Versorgung unter Einbeziehung von sinnvollen telemedizinischen Versorgungsformen Gebrauch machen würden.
GesundheIT: Auch in der Pflege gibt es einen hohen Bedarf an guten Ideen und innovativen Lösungen z.B. aus Robotik, Augmented Reality und künstlicher Intelligenz bei gleichzeitig hohem Kostendruck. Von einigen unserer Partner wurde bereits ein Fonds für Innovationsprojekte im Bereich Pflege angeregt. Wie kann das Land den Innovationsstandort unterstützen?
Frau Behrens: Digitale Angebote, wie ich auch zuvor ausgeführt habe, können sowohl für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen als auch für die professionellen Pflegekräfte eine wertvolle Unterstützung sein. Im Alltag der professionellen Pflegekräfte ist die Digitalisierung schon weit fortgeschritten. Im Fokus stehen dabei die Pflegedokumentation, die Leistungs- und Zeiterfassung und die Einsatzplanung, aber auch die gemeinsame Datennutzung innerhalb des Versorgungssystems. Befördert wird dies durch die zahlreichen Finanzierungsmöglichkeiten, die es auf Landes- und Bundesebene gibt. Aus meinem Bereich ist hier vor allem das Förderprogramm zur Stärkung der ambulanten Pflege im ländlichen Raum zu nennen, mit dem das Land Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Rahmenbedingungen in ambulanten Pflegediensten unterstützt. Einer der Schwerpunkte ist die Einführung von technischen und EDV-basierten Systemen. Seit Beginn des Programmes im Jahr 2016 bis zum Ende des Jahres 2019 wurden 371 Digitalisierungsprojekte von 291 Pflegediensten mit einem Volumen von insgesamt rund 12 Mio. Euro gefördert.
Auch aus den Mitteln des „Sondervermögens für den Ausbau von hochleistungsfähigen Datenübertragungsnetzen und für Digitalisierungsmaßnahmen“ fördern wir innovative Digitalisierungsprojekte im Bereich Pflege. Im vergangenen Jahr wurde die Ausstattung von Pflegeheimen mit Tablets mit rund 140.000 Euro gefördert. Die restlichen Kosten wurden aus Mitteln der Pflegeversicherung getragen. Insgesamt haben 529 Pflegeheime 878 Tablets erhalten, die für die Durchführung von Videosprechstunden mit Hausärztinnen und Hausärzten oder den Kontakt mit den Angehörigen genutzt werden. Über die am 20.01.2021 veröffentliche Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Beschaffung von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Sicherstellung der sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung (RL Digitalisierung im Gesundheitswesen — DigGes) stehen Fördermittel für die Förderbereiche Telemedizinische Netzwerke und den Förderbereich Ambient Assisted Living (AAL) zur Verfügung.
Eine Notwendigkeit für einen weiteren Fördertopf vermag ich aktuell nicht zu erkennen. Wichtiger ist es, dass digitale Lösungen in der Regelversorgung, d. h. bei allen pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen ankommen. Ich begrüße es deshalb außerordentlich, dass Pflegebedürftige mit dem Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz einen Anspruch auf digitale Beratungsleistungen sowie Gesundheits- und Pflegeanwendungen erhalten sollen. Über den geplanten einheitlichen Leistungskatalog kann sichergestellt werden, dass diese erprobt und qualitätsgesichert sind.
GesundheIT: Abschließend die Frage: Wie können wir als Metropolregion das Land Niedersachsen im Standortwettbewerb im Bereich Gesundheit noch gezielter stärken?
Frau Behrens: Eine wichtige Funktion der Metropolregion ist es, Vernetzungsstrukturen zu bilden und Ideengeber zu sein. Ideengeber für Konzepte wie die Nutzung moderner digitaler Werkzeuge zur nachhaltigen Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Niedersachsen. Gefördert werden können diese dann durch vorhandene Förderprogramme des Landes Niedersachsen, z.B. aus der zuvor genannten Richtlinie Digitalisierung im Gesundheitswesen DigGes. Eine Antragsstellung ist über die Homepage des Landessozialamtes möglich. Mit dieser Richtlinie stehen für die Förderung Telemedizinischer Projekte und für Maßnahmen im Bereich Ambient Assisted Living (AAL) insgesamt 9,2 Mio. Euro aus dem Sondervermögen Digitalisierung des Landes Niedersachsen zur Verfügung, die für Investitionen zur Förderung nachhaltiger Strukturen in diesen beiden genannten Bereichen eingesetzt werden können. Hier kann die Metropolregion gerne informell und auch unterstützend für mögliche Antragssteller wirken. In einem Flächenland wie Niedersachsen stehen wir vor einer besonderen Herausforderung: Es muss gewährleistet werden, dass die Menschen in allen Regionen medizinisch qualitativ hochwertig versorgt werden. Besonders effektiv sind deshalb lokale und regionale Modelle, die auf die Bedingungen vor Ort eingehen. Das ist die Grundidee, die hinter den Gesundheitsregionen Niedersachsen steht. Wir fördern die Gesundheitsregionen Niedersachsen mit jährlich 600.000 Euro aus Landesmitteln. Die Kooperationspartner und –partnerinnen (Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, Ärztekammer Niedersachsen, AOK Niedersachsen, Ersatzkassen, BKK-Landesverband und IKK classic) beteiligen sich zusätzlich mit 490.000 Euro.
Ich freue mich sehr, dass die Metropolregion bereits mit den Gesundheitsregionen in Ihrem Einzugsbereich kooperiert. Die Vorteile einer übergreifenden Zusammenarbeit kommen dabei den Menschen vor Ort zugute. Meine Bitte wäre daher: Setzen Sie die Arbeit in den Gesundheitsregionen fort.
GesundheIT: Vielen Dank, Frau Behrens für Ihre Zeit! Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg im Amt!
Bildnachweis: Niedersächsisches Sozialministerium
Weitere Erfolgsstory aus Braunschweig: Im Rahmen einer klinischen Studie werden erste Patient*innen mit fortgeschrittenen Tumoren in den USA mit einem neuartigen Antikörper-basierten Medikament der TU Braunschweig behandelt. Das Team von Prof. Stefan Dübel, Leiter Abteilung Biotechnologie, hat einen menschlichen Antikörper, der gegen Tumorzellen gerichtet ist, entdeckt und über viele Jahre weiterentwickelt. Dieser ist jetzt Teil eines komplexen neuartigen Wirkstoffes gegen schwer behandelbare Krebsarten, der von der Pharmafirma Merck klinisch getestet wird. Das Molekül M1231 ist ein biotechnologisch konstruierter sogenannter bi-spezifischer Antikörper mit zwei verschiedenen „Greifarmen“. Der eine Antikörper-Arm des ADC-Moleküls wurde an der TU Braunschweig entwickelt, der andere basiert auf dem bereits bewährten Krebsmedikament Erbitux der Firma Merck aus Darmstadt, die auch die klinische Entwicklung von M1231 betreibt. In der klinischen Studie (https://www.clinicaltrials.gov/ct2/show/study/NCT04695847) wird jetzt die Sicherheit des Wirkstoffes für Patient*innen mit metastasierten soliden Tumoren, Speiseröhrenkrebs und nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom untersucht. Die Studie wird in Texas am MD Anderson Cancer Center in Houston und NEXT Oncology in Austin sowie in Kanada am Princess Margret Cancer Centre in Toronto durchgeführt – mit einer Laufzeit voraussichtlich bis Juli 2023. Mehr über das Medikament und die Entwicklungsphase in der Presseinformation der TU Braunschweig: https://magazin.tu-braunschweig.de/pi-post/zwei-molekulare-greifarme-gegen-tumorzellen/?fbclid=IwAR3prtcxLbnxXrJ2Xw_KcxrQzrsLyWaPDzqsDAWdDajzGot49XWoHtEGUA8
Bildnachweis: Stefan Dübel / TU Braunschweig
Mitte des Monats kam die bedeutende Nachricht: Ministerin Anja Karliczek (CDU) verkündete, dass CORAT Therapeutics als eines von acht deutschen Corona-Unternehmen Mittel aus einem 50-Millionen-Euro-Fördertopf erhält. Das Startup aus Braunschweig steht kurz vor dem Start der ersten klinischen Testphase seines Antikörper-Medikaments zur Behandlung von COVID-19 Erkrankten. Geht das Medikament jetzt in die Produktion, soll es bis zum Jahresende zur Verfügung stehen. Die genaue Fördersumme wird in den nächsten Wochen bekannt gegeben. Corat benötigt noch 50 Millionen Euro, um das Medikament zur Marktreife zu bringen. Laut CORAT liegt die Chance, dass das Medikament zur Marktreife kommt, bei 30 Prozent. In der Regel benötigt die Markteinführung eines neuen Medikamentes mehrere Jahre, es bestehen viele Unwägbarkeiten. Das Land Niedersachsen hat das Projekt bereits zwei Mal mit insgesamt zehn Millionen Euro gefördert, an der Summe beteiligten sich auch drei private Investoren aus Braunschweig. Das Ministerium hat für die Auswahl der Förderanträge drei GutachterInnen beauftragt, unter ihnen die Virologin Frau Prof. Sandra Ciesek.
Quelle:Karliczek: Regierung fördert Braunschweiger Corona-Forscher - Braunschweiger Zeitung (braunschweiger-zeitung.de)
Bildnachweis: Stefan Dübel/TU Braunschweig
Am 23. April fand unser 10. HealthTalk statt, Thema des Monats: Digitalisierung und Kompetenzen in der Pflege. Der besondere Rahmen: Die internationale Online-Konferenz der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften. Die Fakultät Gesundheitswissenschaften lud verschiedene Fachleute aus dem Gesundheitswesen ein, um zum Thema Digitalisierung heute und in Zukunft, Kompetenzen und Professionalisierung im Pflegeberuf zu referieren und diskutieren.
Nach einem Grußwort von Andreas Westerfellhaus (Pflegebevollmächtigter Bundesregierung) und Iris Bothe (Stadträtin für Jugend, Bildung und Integration) führten Frau Prof. Martina Hasseler und Frau Prof. Sandra Tschupke in die Konferenz ein. Eine zentrale Forderung: Digitale Kompetenzen sind notwendig, damit neue Technologien angemessen und zum Wohle der Patient*innen und Pflegebedürftigen eingesetzt werden können – hier geht es um Wissen über Funktionsweisen der neuen Technologien, ethische Herausforderungen oder zu verstehen, wie Künstliche Intelligenz in der Patientenversorgung eingesetzt wird. Melanie Philip, Geschäftsführerin der Pflegepioniere, sprach über Chancen und Herausforderungen der Telepflege durch Pflegefachkräfte. Die Pflege müsse mitgenommen werden. Wichtig sei hier der Aufbau der Prozessinfrastruktur, bei dem die Anwender*innen nicht vergessen werden dürfen. Weiter gab es einen Einblick in die Forschung der britischen Professorin Paula Procter zum Thema „Nursing and Robots“. Artificial Intelligence und Nursing ist das Spezialgebiet der finnischen Forscherin Sanna Sanantera. Dr. Jonas Schwartze vom PLRI berichtete über sensorerweiterte Wohnumgebungen als diagnostische Räume. Damit ist das PLRI auch Teil des ISAN-Projektes, bei dem es um eine digitale Unfallversorgung und Rettungskette geht. Statements von Seiten der Krankenkassen machten weiter deutlich, dass eine Pflege nur dann verändert werden könne, wenn auch die Rechtsgrundlage entsprechend geändert werde. Es mangele hier an politischem Konsens, Dinge nachhaltig zu verändern, so Sonja Laag von der Barmer.
Der smart.mobile.health-Talk rundete das Programm mit einer spannenden Diskussionsrunde ab. Neben Frau Prof. Martina Hasseler, Konferenzleitung und Projektleitung T-Nugd (Telenursing goes digital), bereicherten Herr Prof. Michael Prilla (TU Clausthal und Projektleitung Pflegebrille), Melanie Philip (Geschäftsführerin Pflegepioniere) und Florian Tölle (Leitung Pflege und Organisation, Diakovere) die Expert*innenrunde. Als Beraterin weiß Melanie Philip, dass es für das Thema Digitalisierung in vielen kleinen und mittelständischen Pflegeeinrichtungen keine Ressourcen gibt. Häufig ist E-Learning die Eintrittskarte in diesen Themenbereich. Prof. Michael Prilla beschäftigt sich in seinem Forschungsprojekt „Pflegebrille 2.0“ mit dem unterstützenden Einsatz von Augmented Reality in der Pflege und betont die Wichtigkeit der Integration der Zielgruppe: „Bevor wir angefangen haben irgendetwas zu entwickeln, sind wir in die Pflegeversorgung gegangen und haben gefragt, was dort benötigt wird.“ Hasseler, selber ausgebildete Pflegefachperson betont die Relevanz eines professionellen Pflegeverständnisses. Auf die Frage, welche positive Pflegenachricht in einem Jahr an selber Stelle präsentiert werden könnte, gab es von den Teilnehmer*innen folgende Antworten:
Geschäftsführer der Metropolregion und Moderator des HealthTalks, Kai Florysiak, resümiert die impulsreiche Talkrunde: „Pflege ist hochgradig anspruchsvoll und professionell. Wir brauchen mehr Technikkompetenz in der Aus- und Weiterbildung und mehr Pflegekompetenz in der Technik. Pflegeinformatik als Studiengang gehört ebenso dazu, wie die Ausbildung der Ausbildenden in der Metropolregion.
gesundheIT: Frau Prof. Hasseler, was bedeutet professionelle Pflege und welche Qualifizierungen werden benötigt?
Prof. Martina Hasseler: Professionelle Pflege und professionelle Pflegeberufe sind in Deutschland in ihrer Relevanz und Bedeutung am meisten unterschätzt. Professionelle Pflege hat einen Mehrwert für Patientinnen und Patienten und Pflegebedürftige. Sie resultiert in besseren Ergebnissen der gesundheitlichen Versorgung: bspw. in geringeren Komplikationsraten wie Lungen- oder Harnwegsentzündungen, Krankenhausinfektionen oder Herz- und Kreislaufstillständen, bessere Wundheilungen und schnelleren Entlassungen aus dem Krankenhaus sowie geringeren Sterblichkeitsraten. Diese Ergebnisse sind in internationalen Studien zu erkennen. Der Hintergrund ist, dass professionelle Pflege systematisch auf wissenschaftlichen Erkenntnissen fundiert und sich dieses Wissen in der Praxis auf Einzelfälle bezieht. Professionelle Pflegefachpersonen reflektieren die Praxissituationen und das entsprechende Wissen und richten ihr Handeln flexibel nach den Bedarfen und fachlich-wissenschaftlichen Grundlagen aus. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur die formale Qualifikation notwendig ist, sondern auch die Arbeitsumgebungen und Rahmenbedingungen. Dazu gehören bspw. angemessene Pflegepersonalschlüssel, die weit besser sein müssen als sie in deutschen Krankenhäusern und in Pflegeheimen ermöglicht werden. Viele Studien weisen auch daraufhin, dass mehr Helferinnen und Helfer in der Pflege die Qualität und die Outcomes der Pflege nicht verbessern. Als Voraussetzungen benötigen wir also zunächst sehr gut qualifizierte Pflegefachpersonen. In fast allen Ländern der Welt, aber ganz sicher in Europa und um Deutschland herum, werden Pflegefachpersonen auf Bachelorniveau (primärqualifizierend) und weiterführend auf Masterniveau (für Spezialisierungen) qualifiziert. Insbesondere in den primärqualifizierenden Pflegestudiengängen werden die Studierenden auf die patientennahe Versorgung vorbereitet. Die Pflegeberufe haben dadurch in vielen europäischen Ländern nicht nur an Attraktivität gewonnen, sondern sie tragen auch zu besseren Outcomes bei und sind sehr viel besser in die Gesundheitsversorgung als hier integriert. Der professionelle Status ist eindeutig höher. Damit alle Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeiten erhalten, diese Abschlüsse zu erreichen, haben vor 20 bis 25 Jahren in den meisten europäischen Ländern die politisch Verantwortlichen allen in der Pflege tätigen Pflegefachpersonen die Voraussetzung auferlegt, berufsbegleitend den Bachelor-Abschluss nachzuholen. Damit waren alle Pflegefachpersonen auf ein Qualifikationsniveau gestellt und etwaige befürchtete Nachteile waren ausgeräumt. Als weitere Entwicklungen sind gute Skills-Grade-Mix-Konzepte bedeutsam, die festlegen, wie und in welcher Weise Helfer*innen und Assistenten*innen in die pflegerische Verantwortung in ihren Kompetenzleveln unter der Supervision der Pflegefachperson eingesetzt werden können. Damit eine qualitativ hochwertige Versorgung erreicht werden kann, werden in den meisten europäischen Ländern die Qualifikations- und Komptenzniveaus der in der Pflege tätigen Berufstätigen festgelegt, sodass die Verantwortlichkeiten sich daraus ergeben und Kompetenzdiffusionen nicht mehr möglich sind. Darüber hinaus werden eine gute Qualität und gute Ergebnisse in der Gesundheitsversorgung sichergestellt.
gesundheIT: Frau Philip, aus Beraterinnen-Sicht gesprochen – welche Bedarfe bestehen seitens kleiner- und mittelständischer Pflegeunternehmen in Punkto Strategie, Prozesse und Qualifizierung?
Melanie Philip: Kleine- und mittelständische Pflegeunternehmen haben grundsätzlich die Herausforderung, dass sie kaum Overheadressourcen haben und durch die Finanzierung der Pflege auch nur eingeschränkte Investitionsmöglichkeiten. So fehlt die Möglichkeit, sich ausreichend mit der „Pflege von Morgen“ und der Arbeit am Unternehmen zu beschäftigen. Zeitgleich ist das Wissen über (Experten-)Themen wie z.B. Prozessoptimierung, Changemanagement, Entgeltverhandlung, Bildungsmanagement oder (digitale) Transformation und die Methodenkompetenz im eigenen Unternehmen oft gar nicht ausreichend vorhanden und kann nur zugekauft werden. Es muss im Rahmen der gesetzlichen Finanzierungsmöglichkeiten der Pflege eine Möglichkeit geschaffen werden, Investitionen in diese Themen und damit positive Veränderungen und Weiterentwicklung zu ermöglichen. Diese sind für die Pflegebranche unablässig, sofern wir unsere Versorgungslandschaft zumindest erhalten oder gar verbessern möchten. Erreicht werden kann diese Veränderung beispielsweise durch die Finanzierung von Beratung und Begleitung bei diesen Themen durch Förderung. Nachhaltig(er) geht dies nur durch eine Aufnahme als refinanzierte (Personal-)Kosten in der Entgeltverhandlung, sodass auch kleine und mittlere Pflegeunternehmen diese Personalstellen im eigenen Unternehmen schaffen und dauerhaft besetzen können.
gesundheIT: Herr Prof. Prilla, bitte erläutern Sie die Perspektive der Forschung, die Sie bei der Entwicklung von Technologien für die Pflege einnehmen.
Prof. Michael Prilla: Mir ist es wichtig, dass wir Technologien entwickeln und einführen, die in der Pflege auch akzeptiert werden und wirksam sind. Daher arbeiten wir stets eng mit Praktiker*innen und Expert*innen aus der Pflege. Unsere Aufgabe ist es dann, die Bedarfe aus der Praxis in technisch unterstützte Arbeitsabläufe zu übersetzen, die Technik einzuführen und sie in der Praxis zu beurteilen. Nur im informierten Dialog zwischen Technik und Anwendung kann meiner Meinung nach sinnvolle und nutzbare Technologie für die Pflege entwickelt werden.
gesundheIT: Herr Tölle, wie beurteilen Sie als Pflege- und Organisationsleiter die digitale Transformation in der Klinik? Wie nehmen Sie Ihre Mitarbeitenden mit?
Florian Tölle: In unserem Unternehmen haben wir bereits große Erfolge bei der Implementierung von digitalen Technologien erlebt. Wir verstehen Digitale Transformation als kontinuierlichen Veränderungsprozess, der Veränderungen in Arbeitsprozesse, Organisationskultur und Organisationsstrukturen mit sich bringt. Durch eine enge Begleitung und Einbindung der Mitarbeitenden durch unser KIS-Team, haben wir es geschafft, Veränderungsprozesse so zu gestalten, dass wir ein „digitales“ Fundament haben, auf welches wir bei zukünftigen Digitalisierungsprojekten zurückgreifen können. Zur langfristigen Planung und strategischen Ausrichtung fehlt allerdings eine landesweite oder regionale Strategie zur digitalen Entwicklung im Gesundheitssystem, mit einer strategischen Planung für die Pflege. Diese Strategie könnte neben Anforderungen an die Pflege in der Klinik, sowie der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit (Stichwort Fallakte) auch Finanzierungswege enthalten. Die digitale Transformation stellt unser Unternehmen aber auch vor Herausforderungen. Die Soft- und Hardware muss die Bedürfnisse der Anwender zufriedenstellen, ohne dabei zu komplex zu sein. Des Weiteren müssen wir Unsicherheiten bei den Mitarbeitenden abbauen und die Bereitschaft wecken, alte Gewohnheiten abzulegen und sich auf die „neue Technologie“ einzulassen.
Wir informieren unsere Mitarbeitenden über verschiedene Kommunikationswege, beispielsweise über einen eigenen digitalen Newsletter für die elektronische Patientenakte. Des Weiteren schult und informiert unser KIS-Team direkt vor Ort. Die Mitarbeitenden in der Pflege haben im direkten Kontakt die Möglichkeit, Anmerkungen zum Produkt und Vorschläge für die Umsetzung zu machen. Diese wichtigen Informationen berücksichtigen wir in der weiteren Entwicklung. Diese Wissenszirkulation ist für die Transformation eine der zielführendsten Maßnahmen um die Mitarbeitenden mitzunehmen.