Science Made in Metropolregion

Veröffentlicht: 29. September 2021

In dieser Ausgabe durften wir mit Dr. Martin Kinkel aus der Forschung und Entwicklung bei KIND, Spezialist für Hörakustik und Augenoptik sprechen.
#Fokusthemen: Welche Schwerpunkte und Lösungen hat KIND im Bereich der (digitalen) Gesundheitswirtschaft?

Bildquelle: Dr. Martin Kinkel

KIND ist in erster Linie ein Dienstleistungsunternehmen, einer der Marktführer in der Hörakustik und auch ein bedeutender Player in der Augenoptik. Neben der Qualität der Produkte spielt die Qualität der Beratung und der Anpassung eine herausragende Rolle für uns, hier liegen ganz klar unsere Schwerpunkte.
#Zukunft: Was sind Ihre Zukunftsprojekte?
Sowohl in der Hörakustik als auch in der Augenoptik ist die „Cloud“ natürlich ein Megathema, von der Integration der Daten über das gesamte Unternehmen bis zur „Omni-Channel“-Strategie, bei der wir Online-Angebote mit unserer Stärke in der stationären Dienstleistung verbinden wollen.
#Motivation: Was motiviert Sie zur Teilnahme am Verbund der Metropolregion und welchen weiteren Mehrwert wünschen Sie sich?
Auch wenn wir ein bundes- und europaweit agierendes Unternehmen sind, sind wir doch hier in der Metropolregion verwurzelt und besonders gut vernetzt und vielfältig aktiv, und das soll zukünftig natürlich auch so bleiben.

Aus der Metropolregion

Antikörper kommen als Wirkstoff bei COVID-19 Infizierten zum Einsatz, da sie sich an Viren binden und sie unschädlich machen. Das Problem: Antikörper industriell zu produzieren, ist so aufwändig und teuer, dass sich die weltweite Nachfrage nicht abdecken lässt. Nanobodies könnten hier eine Lösung sein. Wissenschaftler*innen des Göttinger Max-Planck-Instituts (MPI) für biophysikalische Chemie und der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben jetzt Mini-Antikörper entwickelt, die alle Eigenschaften besitzen, die man von einem wirksamen Medikament gegen COVID-19 erwarten würde. Bereits die einfachsten Mini-Antikörper der Göttinger binden bis zu 1000 Mal stärker an das Spike-Protein als zuvor entwickelte Nanobodies gegen COVID-19. Sie binden zudem sehr gut an die mutierten Rezeptor-Bindedomänen der Alpha-, Beta-, Gamma- und Delta-Stämme. „Unsere einfachen Nanobodies eignen sich möglicherweise dafür, inhaliert zu werden, um so das Virus in den Atemwegen einzudämmen“, so Dobbelstein vom Institut für Molekulare Onkologie der UMG.

„Nanobodies stammen aus Alpakas und sind deutlich kleiner und einfacher aufgebaut als herkömmliche Antikörper“, berichtet Görlich aus der Abteilung Zelluläre Logistik. Um die Nanobodies gegen SARS-CoV-2 herzustellen, injizierte das Team den drei Alpakas Britta, Nora und Xenia aus der Herde am Göttinger MPI mehrmals einen Teil des Spike-Proteins. Die Tiere bildeten daraufhin Antikörper gegen diesen Proteinteil. Nach der letzten Injektion entnahmen die Forscher*innen den Tieren eine kleine Menge Blut. Für die Alpakas war ihr Einsatz damit beendet, die weiteren Schritte erfolgen mithilfe von Enzymen, Bakterien, sogenannten Bakteriophagen und Hefen. Aus dem Blut der Alpakas gewannen die Wissenschaftler*innen im nächsten Schritt die Baupläne für rund eine Milliarde verschiedener Nanobodies. Die Biochemiker fischten aus der zunächst astronomischen Zahl von Nanobodies mit Bakteriophagen die wirklich besten heraus. In weiteren Schritten wurden diese auf ihre Wirksamkeit getestet und in mehreren Design-Zyklen immer weiter verbessert.

Eine weitere Besonderheit: Nanobodies sind auch gegen bekannte Varianten des Coronavirus wirksam. Zwar hatten die Forscher*innen ihre Alpakas mit einem Teil des Spike-Proteins des ersten bekannten SARS-CoV-2-Virus geimpft, deren Immunsystem produzierte aber auch Antikörper, die gegen die Alpha-, Beta-, Gamma- und Delta-Varianten des Virus aktiv sind.

Das Göttinger Team bereitet die Nanobodies nun für den therapeutischen Einsatz vor. Dobbelstein betont: „Wir wollen die Nanobodies möglichst schnell für den sicheren Einsatz als Wirkstoff testen, damit sie schwer Erkrankten zugutekommen sowie jenen, die nicht geimpft wurden oder keinen effektiven Impfschutz aufbauen können.“ Unterstützung erhält das Team dabei durch Experten für Technologietransfer: Dieter Link (Max Planck Innovation), Johannes Bange (Lead Discovery Center, Dortmund) und Holm Keller (kENUP Foundation). Da sich Nanobodies kostengünstig und schnell in großen Mengen herstellen lassen, könnten sie sogar den weltweiten Bedarf an COVID-19-Medikamenten decken.

Originalveröffentlichung: Güttler T, Aksu M, Dickmanns A, Stegmann KM, Gregor K, Rees R, Taxer W, Rymarenko O, Schünemann J, Dienemann C, Gunkel P, Mussil B, Krull J, Teichmann U, Groß U, Cordes VC, Dobbelstein M, Görlich D: Neutralization of SARS-CoV-2 by highly potent, hyperthermostable, and mutation-tolerant nanobodies. EMBO J (2021), doi: 10.15252/embj.2021107985

Weitere Informationen unter:
www.mpibpc.mpg.de/de/goerlich – Abteilung Zelluläre Logistik am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Göttingen
www.moloncol.med.uni-goettingen.de – Institut für Molekulare Onkologie an der Universitätsmedizin Göttingen
Quelle: https://www.umg.eu/news-detail/news-detail/detail/news/hochwirksame-und-stabile-nanobodies-stoppen-sars-cov-2/?cHash=1dcd1d403b86c99cf35b88ebc753b278&L=0
Bildquelle: Carmen Rotte/Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie

GesundheIT: Herr Kiesewetter, zum Thema Förderung: Welche Voraussetzungen bestehen für eine Förderung durch die nBank? Gibt es Besonderes in der Gesundheitsbranche zu beachten?

Michael Kiesewetter: Die Fördermöglichkeiten durch die NBank sind sehr breit gefächert. Spezielle Voraussetzungen für eine Branche gibt es nicht. Hervorzuheben ist, dass im Gesundheitsbereich sowohl vom Land Niedersachen als auch vom Bund Innovationsnetzwerke umfangreich gefördert werden. Hiervon partizipiert auch die Gesundheitsbranche in besonderem Maße.

GesundheIT: Zum Thema Venture: Fehlendes Risikokapital vor allem in der Wachstumsphase bremst die Entwicklung. Welche Möglichkeiten gibt es, neben staatlichen Mitteln das private Engagement signifikant in Niedersachsen zu erhöhen?

Michael Kiesewetter: Stimmt. Private Investoren halten sich in Niedersachsen anders als in anderen Bundesländern leider noch zurück. Die Dynamik könnte größer sein. Unsere Beteiligungstochter NBank Capital bietet von der Unterstützung von Einsteigern und ihren Ideen über Wachstumsfinanzierungen und der Finanzierung von Nachfolgeregelungen eine breite Produktpalette an. Private Investoren sind oftmals involviert. Gerade in der Gesundheitsbranche wurden in der letzten Zeit vielversprechende Beteiligungen umgesetzt. Angiolutions und CORAT sind hier nur zwei Beispiele.

GesundheIT: Zum Thema Beratung: Welche Erfahrungen haben Sie mit Online-Konsultationen gemacht? Wie hoch ist die Nachfrage?

Michael Kiesewetter: Onlinekonsultationen nehmen immer mehr zu. Das enorme Anwachsen in der NBank ist natürlich auch der Corona Zeit geschuldet. In normalen Jahren haben wir rund 17.000 Beratungsgespräche; im vergangenen Jahr waren es mehr als 70.000 – natürlich alle nicht in Präsenz.

GesundheIT: Zur neuen Förderperiode: Im Vorfeld wurde viel darüber gesprochen, dass der Topf kleiner wird. Ist diese Sorge berechtigt? Welche Relevanz werden die für die Metropolregion wichtigen Themen Mobilität und Gesundheit vor allem auch in Verbindung mit digitaler Transformation haben?

Michael Kiesewetter: Gott sei Dank ist es nicht so gekommen. Niedersachsen stehen in der kommenden Förderperiode mit 1.05 Milliarden Euro mehr Fördermittel zur Verfügung als in der laufenden. In dieser waren es lediglich 0.98 Milliarden Euro. Förderschwerpunkte sind der Klimawandel und die digitale Transformation. Letzterer ergibt für die Metropolregion bestimmt einiges an Anknüpfungspunkten. Zu dem eingangs genannten Betrag sind noch die Mittel zu addieren, die Niedersachsen in nächster Zeit als Ausgleich für Corona-Schäden aus Europa erhalten wird. Wichtig ist auch noch der Hinweis auf das europäische Forschungsrahmenprogramm. In diesen Programmen werden für einzelne Förderungen enorme Summen bewegt.

GesundheIT: Lassen Sie uns über Perspektiven sprechen: Unsere Entwicklungsplattform Innovative Pflege (InCa 4D) wird vom ArL L-W gefördert. Innerhalb der Plattform haben sich mehrere Projektgruppen gebildet, die für Ihre Projektideen nach Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau halten. Welche Möglichkeiten gibt es in der neuen Förderperiode Projekte in den Bereichen e-Health und Pflege finanziell unterstützen zu lassen?

Michael Kiesewetter: Jetzt einen konkreten Vorschlag zu unterbreiten, wäre unredlich. Die Vorbereitungen für die neue Förderperiode in den zuständigen Stellen in Brüssel und Hannover sind in der entscheidenden Phase. Sie können mich aber als Mitglied in Ihren Gremien immer gerne ansprechen, wenn Sie sich mit dem Thema Förderung auseinandersetzen. Ein guter Ratschlag ist es auch, einen engen Draht zu unserer Beratung aufzubauen. Die sind exzellent in der Umsetzung von Förderwünschen und dem Ausloten dafür geeigneter Fördervarianten.

Nach der Sommerpause laden wir Sie direkt zum nächsten Event im September ein. Wir freuen uns, Ihnen dazu unsere unsere neue Eventreihe vorzustellen: Den FokusTalk Health. Wie der Name sagt, steht beim FokusTalk Health ein konkretes Projekt im Mittelpunkt. Unser Fokus im September: Das Projekt ISAN des Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik und die dort entwickelte und umgesetzte „International Standard Accident Number“ . Im Projekt „ISAN“ wird die Vernetzung von ICT-Systemen in der Notfall- und Rettungskette genutzt und anhand von zwei Anwendungsfällen bewertet, (i) einem Smart Home Emergency Monitor für gefährdete Personen und (ii) einem virtuellen Notfallregister für Braunschweig. Sie werden rechtzeitig vor der Veranstaltung über ein Save-The-Date informiert.

Mehr über das Projekt erfahren Sie hier: https://plri.de/news/isan-zentrum-fuer-unfall-und-notfallinformatik

Die Metropolregion bietet als One-Health-Region einmalige Voraussetzungen, um mit einer Pandemieantikörperplattform kommenden Pandemien noch schneller begegnen zu können - so die Zusammenfassung des Juni-HealthTalks der Metropolregion. Pandemien – von Forschung zur Wertschöpfung, von Bekämpfung zu Prävention war das Thema. Aus Wissenschaft und Wirtschaft berichteten Prof. Dr. Cornberg von der Medizinischen Hochschule Hannover & Klinischer Direktor Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) sowie Direktor des Centre for Individualised Infection Medicine (CiiM), Prof. Dr. Dübel von der TU Braunschweig und Gründer der Yumab GmbH und der CORAT Therapeutics GmbH, Prof. Dr. Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebunds und Dr. Schulmeyer, Geschäftsführer des Innovationszentrums Niedersachsen und der Medical Park Hannover GmbH. Kai Florysiak skizzierte die anstehende Herausforderung: „Die Metropolregion hat dank vieler wertvoller Einrichtungen eine starke nationale und internationale Position in der Infektionsforschung und -prävention. Diese Potenziale werden gebündelt noch nicht so wahrgenommen, wie sie es verdienen. Es ist unser gemeinsamer Auftrag, das zu ändern und jetzt kraftvoll die nächsten Schritte hin zu einem sichtbaren Kompetenzcluster Infektiologie zu gehen. Die #HealthTalkEssentials der Expertenrunde finden Sie untenstehend aufbereitet.

"Ich bin beindruckt, wie stark die Metropolregion auf dem Gebiet der Infektiologie ist. Durch die Fokussierung auf diesen starken Verbund und konsequente gemeinsame Entwicklung kann viel erreicht werden."

- Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender Weltärztebund

"Wir benötigen einen neuen Katastrophenplan, wenn wir den garantiert kommenden Pandemien erfolgreich begegnen wollen. Eine Antikörperplattform hilft uns dabei. Wir haben in der Metropolregion perfekte Voraussetzungen."

- Prof. Dr. Stefan Dübel, TU Braunschweig und Gründer Corat Therapeutics

"Wir brauchen die Individualisierung von Infektionsmedizin, in der jeder Mensch die Prävention und Therapie bekommt, die zu ihm passt. Dazu braucht es belastbare Strukturen, die über die Projektlebensdauer und Wahlperioden hinausgehen."

- Prof. Dr. Markus Cornberg, MHH, Klinischer Direktor Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und Direktor des Centre for Individualised Infection Medicine (CiiM)

"Gerade bei der Pandemiebekämpfung sind Akteure aus unterschiedlichen Disziplinen beteiligt und zusammenzubringen. In der Metropolregion sind alle relevanten Akteure vertreten. Startups brauchen mehr Unterstützung in der Wachstumsphase."

- Dr. Thomas Schulmeyer, Geschäftsführer Innovationszentrum Niedersachsen und Medical Park Hannover

Mit Augmented Reality Brille in der Pflege zu einer Erleichterung des Pflegealltags? Das erforscht das Projekt Pflegebrille 2.0 der TU Clausthal nun auch in der ambulanten Pflegeeinrichtung Bettina Harms GmbH. Die Einrichtungen lernten sich im Rahmen der Entwicklungsplattform Innovative Pflege „InCa 4D“ kennen und arbeiten seit dem in einem gemeinsamen Projektteam. Seit April wird die Pflegebrille nun in der Einrichtung getestet. Wir haben die ersten Eindrücke von Erprobungspartnerin Jasmin Friedrichs (Abteilungsleitung Wohngemeinschaft Bettina Harms) und dem Entwickler der Pflegebrille Prof. Dr.-Ing. Michael Prilla (Leitung Projekt Pflegebrille, TU Clausthal) zum Tragekomfort, Einsatzszenarien, Widerständen und Marktreife dieser Innovation eingefangen.

Pflegebrille im Einsatz bei Bettina Harms

gesundheIT: Frau Friedrichs, wie ist Ihr erster Eindruck zur AR-Brille, die initiiert durch die Entwicklungsplattform InCa 4D in Ihrer Einrichtung erprobt werden soll?
Jasmin Friedrichs: Der erste Eindruck ist überraschend. Ich habe mir die AR-Brillen größer und schwerer vorgestellt. Sie haben einen guten Tragekomfort.
gesundheIT: Welche Anwendungsfelder haben Sie in der Pflegepraxis heute ausprobiert?
Jasmin Friedrichs: Heute ging es in erster Linie um die technische Integration der Pflegebrille in die IT der Wohngemeinschaft.
gesundheIT: Welche Praxisanwendungen für Pflegebrillen könnten Sie sich bei der Bettina Harms GmbH vorstellen? Welche Bedarfe sehen Sie aktuell und zukünftig?
Jasmin Friedrichs: Das Dienstleistungsportfolio in der ambulanten Pflege steigt durch den demografischen Wandel und den zunehmenden Assistenz-/Unterstützungsbedarf bei älteren Menschen. Eine zunehmende Anzahl komplexer pflegerischer Versorgungen trifft zunehmenden auf den jetzt schon vorherrschenden Pflege- und Pflegefachkraftmangel. Die Langzeittestung der Brille findet in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft der Bettina Harms GmbH statt. Aber nicht nur hier kann ich mir den Einsatz von AR-Brillen vorstellen, sondern auch für den ambulanten Versorgungsmarkt. Hierbei können Pflege- und Pflegefachkräfte durch den zum Teil anspruchsvollen Pflegealltag durch Expert*innen begleitet werden.
gesundheIT: Wie ist die Einstellung aktuell zu Augmented Reality im Pflegealltag im Kollegium?
Jasmin Friedrichs: Die Kolleg*innen sind sehr gespannt und freuen sich auf das Projekt.
gesundheIT: Vielen Dank, Frau Friedrichs. Herr Prof. Prilla, wie lief der heutige Praxistext aus Ihrer Sicht?
 Prof. Dr.-Ing. Michael Prilla: Heute konnten wir die Pflegebrille erfolgreich vor Ort in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft der Bettina Harms GmbH integrieren und haben durchweg positive Reaktionen von zukünftigen Pflegebrillennutzer*innen bekommen. Jetzt hoffen wir, dass die Brille im Alltag auch die Unterstützung bietet, die sich alle Beteiligten erhoffen.
gesundheIT: Wo testen Sie zur Zeit noch im Rahmen Ihres Projektes Pflegebrille 2.0?
Prof. Dr.-Ing. Michael Prilla: Wir versuchen uns mit mehreren Langzeittests breit aufzustellen und verschiedene Bereiche der Pflege abzudecken. Aktuell sind wir mit der Pflegbrille in einer weiteren Intensivpflege-WG eines anderen Anbieters sowie in zwei stationären Pflegeeinrichtungen unterwegs. Bei allen Langzeittestungen treffen wir dabei auf verschiedene Unterstützungsbedarfe, die wir mit der Pflegebrille gut bedienen können. So können wir herausfinden, ob und unter welchen Umständen die Brille eine sinnvolle Unterstützung im Alltag ermöglicht.
gesundheIT: Wo sehen Sie Widerstände und wie können diese abgebaut werden? Welche Bedarfe werden zukünftig in der Pflegepraxis gedeckt werden müssen?
Prof. Dr.-Ing. Michael Prilla: Widerstände sind zumindest bei unseren Partnern kaum vorhanden. Auch wenn wir die Pflegebrille in der Öffentlichkeit präsentieren bekommen wir meist positive Rückmeldung und die Frage, ob und wie man bei der Pflegebrille mitmachen könnte. Vereinzelt gibt es ein paar Pflegefachkräfte, die bei der ersten Nutzung zögern. Dann ist es häufig aber so, dass nach der ersten Nutzung die Vorteile erkannt werden und die Pflegekräfte die Brille doch mal in der Pflegepraxis probieren möchten. Natürlich gibt es auch Skeptiker und Schwarzseher, gerade in den sozialen Medien. Aber das gehört dazu und wir sind überzeugt, dass wir durch die Entwicklung der Brille mit Praktiker*innen und in der Praxis einen Beitrag zur Entlastung aller Beteiligten leisten können. Wichtig ist aber natürlich die technische Infrastruktur vor Ort: Damit die Pflegebrille zukünftig bei möglichst vielen Pflegediensten eingesetzt werden kann, wird man bspw. nicht darum herum kommen, WLAN in den Einrichtungen anzubieten oder auszubauen.
gesundheIT: Im Kontext unserer Entwicklungsplattform Innovative Pflege – Wann schätzen Sie, wird Ihre Pflegebrille die Marktreife erreichen?
Prof. Dr.-Ing. Michael Prilla: Zur Marktreife der Pflegebrille fehlt unserer Meinung nach nur noch das Wissen aus der Praxis, also wie die Pflegebrille in verschiedenen Einrichtungen und bei verschiedenen Bedarfslagen einen Mehrwert entfalten kann. Durch unsere aktuelle Initiative, die Pflegebrille über längere Zeit in der Praxis zu erproben, bekommen wir aufschlussreiches Feedback aus der Praxis und können abschätzen, wie die Technologie sinnvoll einsetzbar ist. Dann werden wir weitere Schritte zur Vermarktung einleiten.
gesundheIT: Vielen Dank für Ihre Zeit und viel Erfolg im weiteren Projektverlauf!
Bildnachweise: Jasmin Friedrichs, Bettina Harms GmbH

Ein weiterer Meilenstein im Rahmen der Entwicklungsplattform Innovative Pflege „InCa 4D“: Die ersten Workshops mit dem Pflegeroboter Cruzr in der Pflegeeinrichtung der AWO Braunschweig. Wie das erste Kennenlernen verlaufen ist und wie es weiter geht lesen Sie hier bzw. können Sie in der NDR Mediathek ansehen.

Pflegeroboter-Cruzr-im-Workshop-bei-der-AWO-Braunschweig

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Die insgesamt fünf Workshops wurden von Tiemo Böhm (Projektleiter AWO) und Prof. Reinhard Gerndt sowie Gerret Lose (Wissenschaftspartner Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften) geleitet und beinhalteten eine Heranführung an die Hintergründe des Innovationsprojekts und ein anschließendes Kennenlernen, Ausprobieren sowie Ideenentwickeln für weitere Einsatzszenarien vor Ort.
Unter den 15 Teilnehmenden waren neben Pflegefach- und Hilfskräften auch Pflegedienstleitung, Haustechnik, begleitender Dienst, Hauswirtschafs- und Wohnbereichsleitung sowie der Betriebsrat vertreten. Andreas Schubert, Workshopteilnehmer und Wohnbereichsleiter des AWO-Wohn- und Pflegeheims Heidberg hat bereits weitere Einsatzszenarien für Cruzr im Kopf: „Mir schweben ganz viele Aufgaben für den Cruzr vor. Die Menüabfrage zum Beispiel. Manche Menschen brauchen viel Zeit, um sich zu entscheiden, welche Mahlzeiten sie nächste Woche essen möchten. Wenn Cruzr das übernehmen würde, wäre das sicher für die BewohnerInnen interessant und für uns Pflegekräfte bedeutet das mehr Zeit für andere pflegerische Tätigkeiten.“ Auch Einrichtungsleiter Lennart Helm ist begeistert von der Möglichkeit, den Cruzr in seiner Einrichtung in die Praxis zu bringen: „Ich freue mich, dass die Workshops bei meinem Team so gut angekommen sind. Auch einige BewohnerInnen kamen vorbei, um Cruzr aus der Nähe zu betrachten – die Neugierde überwiegt die Skepsis.“ Wenn es um Innovationen in der Pflege gehe, stehen die Pflegenden selber meist nicht im Mittelpunkt: „häufig wird dann nur über die Pflege und nicht mit der Pflege gesprochen. Das wollen wir anders machen“, so Helm. Das Feedback der Mitarbeitenden wird in der nächsten Zeit ausgewertet. „Wir haben viele Hausaufgaben mitgenommen“, sagt Prof. Gerndt von der Fakultät Informatik der Ostfalia Hochschule. Kai Florysiak, Geschäftsführer des Projektträgers Metropolregion ist zufrieden: „In fünf bis sechs Jahren werden dem Arbeitsmarkt durch die Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge rund drei Millionen Arbeitskräfte fehlen, mit gewaltigen Auswirkungen auch auf die Pflege. Technologien wie der Cruzr werden uns helfen, gute Pflege überhaupt gewährleisten zu können. Unser Ansatz „Innovationen aus der Pflege für die Pflege“ ist dabei goldrichtig.“
NDR Berichterstattung:

  1. April, 14.30Uhr: https://www.ndr.de/nachrichten/info/Braunschweig-testet-humanoide-Roboter-in-der-Pflege,ndrin-fo16238.html?fbclid=IwAR16wMQb7QuMuLctApgiCbFB5BkMLBUKyCigZ6DKoTppXLxcS1Yp4Ai6H4c
  2. Apil, 19.30 Uhr: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hallo_niedersachsen/Mehr-Zeit-fuer-Pflege-AWO-Braunschweig-testet-Roboter-Einsatz,hallonds65260.html
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