Auf den Punkt-Interview mit Christian Mainka: Kommunen fit4Förderung machen

Veröffentlicht: 26. August 2025
Christian Mainka informierte auf der Real Estate Arena 2025 über Fördermittelmanagement (Foto: Jennifer Bullert)

Marode Schulgebäude, in denen der Putz von den Wänden bröckelt, oberflächlich geflickte Straßenzüge, bei denen Verkehrsteilnehmende lieber Slalom oder gleich einen Umweg fahren statt die Buckelpiste passieren zu müssen – kurzum: Es herrscht in vielen Kommunen Investitionsstau. Rettender Anker sind in solchen Situationen oftmals Förderprogramme. Aber um die Finanzmittel zu erhalten, braucht es Durchhaltevermögen, Expertise und den Blick fürs Wesentliche. Wie Fördermittelakquise erfolgreich gelingen kann, berichtet Christian Mainka, Manager und Business Developer bei City & Bits GmbH und Experte für Fördermittelmanagement.

Christian Mainka (Foto: City&Bits/ Moessle)

Christian Mainka ist Manager und Business Developer bei der City & Bits GmbH. Seine Aktivitäten konzentrieren sich auf Smart City-Strategieentwicklung, Programmmanagement, Organisations- und Politikberatung sowie Fördermittelmanagement für Kommunen und Ministerien.
In über 20 Jahren praktischer Tätigkeit als
Berater, Fördermittelmanager und Projektleiter hat er Projekte mit einem Gesamtvolumen von mehr als 250 Millionen Euro begleitet.

(Foto: City&Bits/ Moessle)

Redaktion:  Herr Mainka, wo lauern aus Ihrer Sicht die größten Fallstricke bei der Antragstellung?

Christian Mainka: Der größte Fallstrick ist paradoxerweise die falsche Herangehensweise. Viele Kommunen machen den fundamentalen Fehler, verfügbare Förderprogramme als Ausgangspunkt zu nehmen und dann passende Projektideen zu entwickeln. Das führt zu „Förder-Projekten", die zwar administrativ korrekt abgewickelt werden, aber keinen nachhaltigen Mehrwert schaffen.

Wenn Sie primär von verfügbaren Förderprogrammen ausgehen, schränken Sie Ihre Kreativität ein und entwickeln oft Lösungen, die in das Förderraster passen, aber nicht optimal für Ihr Problem sind. Besser ist ein strukturierter Dreischritt: Erst den kommunalen Bedarf identifizieren, dann eine optimale Lösung entwickeln und schließlich passende Finanzierungsquellen suchen, gerne dann auch komplexe Mischfinanzierungen aufbauen, aber das ist schon die Profi-Liga.

Das bedeutet nicht, dass Sie die Förderlandschaft ignorieren sollten. Im Gegenteil: Ein gutes Fördermittelmanagement hat immer einen „Förderradar" aktiv und kann schnell reagieren, wenn passende Programme ausgeschrieben werden. Aber der Ausgangspunkt bleibt immer der kommunale Bedarf.

Weitere kritische Punkte sind die realistische Einschätzung der Projektkomplexität und eine stimmige Finanzplanung. Oft werden zeitliche Anforderungen des Vergaberechts unterschätzt – allein europaweite Ausschreibungen können sechs Monate dauern. Und ein absoluter Klassiker: die falsche Erwartungshaltung bei Projektpartnern oder den umzusetzenden Ämtern, die erst kurz vor Antragsfrist zum bösen Erwachen führt.

Redaktion:  Kommunen stehen unter enormem Druck: Fachkräftemangel, Bürokratiebelastung, Sanierungsstau, Klimaanpassung, Haushaltsdefizite. Trotzdem verzichten viele auf das Instrument Fördermittel. Warum ist das so und welche Risiken birgt das?

Christian Mainka: Das ist ein Paradox unserer Zeit! Obwohl historisch hohe Investitionsbedarfe im Milliardenbereich bestehen, bleiben jedes Jahr erhebliche Fördermittel ungenutzt. Die Zahlen sprechen für sich: In 57 Prozent der Kommunen führen langwierige Antragsverfahren zu Projektverzögerungen von mindestens einem Jahr. Noch gravierender: 60 Prozent verzichten komplett auf Projekte wegen der komplexen Förderbedingungen.

Die Risiken sind dramatisch. Kommunen, die auf Fördermittel verzichten, verlieren nicht nur finanzielle Möglichkeiten – sie verlieren auch den Anschluss an Innovation und Modernisierung. Während andere Kommunen durch Förderprojekte ihre Verwaltung digitalisieren oder Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, bleiben die anderen im Status quo gefangen. Das verschärft langfristig die Unterschiede zwischen leistungsstarken und strukturschwachen Kommunen.

Fördermittel sind heute kein Luxus, sondern überlebenswichtig – insbesondere für die 25 Prozent der Kommunen in der Haushaltssicherung.

Redaktion: Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit ein Fördermittelantrag heute realistische Chancen auf Bewilligung hat? Gibt es eine Art „Erfolgsformel"?

Christian Mainka: Ja, es gibt durchaus eine Erfolgsformel, die ich gerne als „Dreiklang der Überzeugung" bezeichne: Authentizität, Innovationskraft und Umsetzungskompetenz.

Erstens: Das Projekt muss aus einem echten kommunalen Bedarf entstehen. Förderinstitutionen erkennen sofort, ob ein Projekt authentisch ist oder nur verfügbare Mittel abschöpfen soll. Zweitens: Innovation und Modellcharakter sind heute Pflicht. Es reicht nicht mehr, einfach nur Infrastruktur zu erneuern. Die Projekte müssen zeigen, wie sie auf andere Kommunen übertragbar sind oder neue Lösungsansätze entwickeln.

Drittens: Die Umsetzungskompetenz muss in mehreren Dimensionen nachgewiesen werden – politisch, rechtlich, technisch, administrativ und finanziell. Dazu gehören auch ein professionelles Projektmanagement und eine realistische Anschlussfinanzierung.

Ein Geheimtipp: Frühzeitige Vernetzung mit Förderinstitutionen. Wer bereits vor der Antragstellung im Dialog steht, hat deutlich bessere Erfolgschancen.

Redaktion: Was können Kommunen konkret tun, wenn sie wenig Personal haben oder wenn das vorhandene Personal keine vertieften Erfahrungen mit Fördermittelanträgen mitbringt?

Christian Mainka: Kleine Kommunen sollten pragmatisch vorgehen und sich auf ihre Stärken konzentrieren. Mein Rat: Fokussieren Sie sich auf schlanke, drei- bis fünfseitige Konzepte mit den absoluten Kernargumenten. Die „Bürgermeister-Strategie" ist hier oft erfolgreicher als komplexe Planungsdokumente – kurze, prägnante Konzepte, die persönlich vorgestellt werden.

Für größere Projekte ab 50.000 Euro kann externe Unterstützung durch Beratung sinnvoll sein. Bei Projekten über eine Million Euro rechnet sich externe Expertise meist durch höhere Erfolgsquoten. Aber Vorsicht: Externe Berater können nur unterstützen, nicht ersetzen. Das Know-how über lokale Gegebenheiten und kommunale Strategien muss intern vorhanden sein.

Quereinsteiger sind übrigens oft besonders erfolgreich im Fördermittelmanagement. Sie bringen frische Perspektiven und können Förderprogramme unkonventionell interpretieren. Eine Kombination aus Verwaltungsexpertise und externen Blickwinkeln funktioniert optimal.

Redaktion: Welche Schlüsselkompetenzen sind im Fördermittelmanagement entscheidend?

Christian Mainka: Erfolgreiche Fördermittelmanager sind wie „Netzwerkknoten" zwischen verschiedenen Welten. Sie müssen vormittags mit dem Kämmerer über Haushaltsansätze sprechen können, mittags mit Fachbereichen über Projektmanagement diskutieren und nachmittags mit Bürgerinitiativen Ideen entwickeln.

Die wichtigsten Fachkompetenzen umfassen Zuwendungsrecht, Kommunalrecht, EU-Beihilferecht und Vergaberecht. Aber oft sind die Soft Skills entscheidend: kommunikative Kompetenz als „Übersetzer" zwischen Fördermittelsprache und Praxisbedürfnissen, analytisches Denken für kreative Lösungen und Projektmanagement-Expertise für komplexe Vorhaben.

Ein besonderer Punkt: Fördermittelmanager sollten verschiedene „Sprachen" sprechen können – Verwaltungsdeutsch für Kollegen, Projektmanagement-Sprache für Förderstellen, Fachsprache für Partner und Klartext für Bürger.

Redaktion: In Vorträgen haben Sie vom sogenannten „Tal des Todes" gesprochen. Was genau ist damit gemeint und wie lässt es sich überwinden?

Christian Mainka: Das „Tal des Todes" beschreibt die kritische Finanzierungslücke zwischen Modellprojekten und marktnaher Anwendung. Forschungsförderung endet meist nach der erfolgreichen Entwicklung, Wirtschaftsförderung setzt aber erst bei marktnahen Produkten an. Dazwischen klafft eine Lücke, in der viele wertvolle kommunale Projekte dem „Fördertod" anheimfallen.

Das erleben wir bei dem Smart City-Modellprogramm: 73 Kommunen entwickeln mit 940 Millionen Euro oft identische Lösungen, aber die Anschlussfinanzierung war nicht mitgedacht. Nach Projektende können viele Kommunen nicht einmal die laufenden Betriebskosten für die implementierte Software und Hardware decken.

Die Lösung liegt in frühzeitiger Anschlussplanung – spätestens zur Projekthalbzeit, nicht erst bei 80 Prozent Projektfortschritt. Alternative Finanzierungsmodelle wie die Überführung in kommunale Unternehmen, interkommunale Verbünde oder hybride Trägerstrukturen können den Übergang schaffen.

Christian Mainka (Foto: Jennifer Bullert)

Kommunen müssen bei ihren Planungen das sogenannte "Tal des Todes" mitberücksichtigen, mahnt Christian Mainka. (Foto: Jennifer Bullert)

Redaktion: Smart City war ein wichtiger Trend. Kommunen können sich aktuell nicht für das Bundesprogramm bewerben. Welche strategischen Wege sehen Sie für Smart-City-Vorhaben?

Christian Mainka: Das ist eine Chance zur strategischen Neuausrichtung! Anstatt auf ein einzelnes Großprogramm zu warten, sollten Kommunen Smart City intelligenter angehen: Durch geschickte Kombination verschiedener Förderquellen lassen sich oft sogar bessere Finanzierungsstrukturen erreichen.

Beispiel für ein Finanzierungsmix: Die technische Infrastruktur über Digitalisierungsprogramme der Länder finanzieren, Sensorik durch Klimaschutz-Sofortprogramme fördern lassen und Bürgerbeteiligung über EU-Programme für digitale Regionalentwicklung. Stadtwerke können Infrastruktur als Eigenleistung einbringen, Hochschulen eigene Forschungsgelder beantragen.

Besonders erfolgversprechend sind interkommunale Ansätze. Statt jede Kommune einzeln ihre App zu entwickeln, können regionale Verbünde gemeinsame Plattformen schaffen. Das reduziert Kosten und schafft Synergien.

Redaktion: Wie lässt sich Smart City mit anderen kommunalen Herausforderungen intelligent verknüpfen?

Christian Mainka: Smart City sollte nie Selbstzweck sein, sondern immer Lösungen für konkrete kommunale Herausforderungen bieten: Das Digitale muss den analogen Beweis erbringen, sprich Daseinsvorsorge und Gemeinwohl fördern, die kommunale DNA. Die intelligente Verknüpfung liegt im modularen Ansatz: Entwickeln Sie ein umfassendes „Maximal-Konzept" und erstellen daraus einen Baukasten für verschiedene Anwendungen.

Beispiel: Eine urbane Datenplattform kann gleichzeitig dem Klimaschutz (CO2-Monitoring), der Daseinsvorsorge (Verkehrsoptimierung), der Verwaltungsmodernisierung (digitale Bürgerdienste) und der Bürgerbeteiligung (Transparenz-Dashboard) dienen. Jede Komponente kann aus unterschiedlichen Fördertöpfen finanziert werden.

Besonders erfolgreich ist die Verknüpfung mit den „drei D's" der Kommunalentwicklung: Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demographie. Smart City-Lösungen, die alle drei Bereiche adressieren, haben heute die besten Förderchancen und schaffen echten Mehrwert für die Bürgerschaft.

Zunehmend wichtig wird ein viertes D: Defense – also Zivilschutz und kommunale Resilienz. Die aktuellen weltpolitischen Entwicklungen zeigen, wie wichtig es ist, dass Kommunen ihre Krisenfähigkeit stärken. Das Besondere: Smart City-Systeme bieten hier enormes Dual-Use-Potenzial. Eine urbane Datenplattform kann im Alltag den Verkehr optimieren und im Krisenfall als Warn- und Koordinationssystem dienen. Sensornetze überwachen normalerweise Umweltdaten und können bei Bedrohungen frühzeitig Alarm schlagen. Die Bundesregierung hat 2024 eine Resilienzstrategie verabschiedet und wir hoffen das im neuen 500 Mrd. Investitionspaket der Bundesregierung entsprechende Förderprogramme für Kommunen lanciert werden.

Redaktion: Was würden Sie einer Kommune raten, die sich bisher nicht intensiv mit Fördermitteln beschäftigt hat, jetzt aber starten will?

Christian Mainka: Mein Rat: Fangen Sie strategisch an, nicht operativ! Entwickeln Sie zunächst eine klare Vorstellung Ihrer kommunalen Entwicklungsziele und Herausforderungen der nächsten zehn bis 15 Jahren. Fördermittel sind nur ein Werkzeug zur Zielerreichung, nicht das Ziel selbst.

Starten Sie mit einer systematischen Bestandsaufnahme: Welche Projekte liegen in der Schublade? Welche „eh-da-Projekte" müssen sowieso gemacht werden? Bauen Sie dann schrittweise Kompetenzen auf – durch Weiterbildung, Vernetzung mit anderen Kommunen oder externe Beratung bei den ersten größeren Projekten.

Entscheidend ist die politische Rückendeckung. Fördermittelmanagement braucht oft langen Atem und manchmal auch den Mut zum Scheitern. Eine professionelle „Kultur des Scheiterns" trägt paradoxerweise zum langfristigen Erfolg bei, weil jeder Antragsprozess Expertise aufbaut.

Mein Tipp: Vernetzen Sie sich frühzeitig mit Förderinstitutionen und anderen Kommunen. Der Erfahrungsaustausch ist Gold wert und verkürzt die Lernkurve erheblich. In meinem Buch „Kommunales Fördermittelmanagement“, das im Herbst beim Springer Gabler Verlag erscheint, finden Sie dazu konkrete Checklisten und Praxisbeispiele für den systematischen Einstieg ins kommunale Fördermittelmanagement.

Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

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