Forscher*innen des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen entdecken neuen Entstehungsmechanismus von Herzrhythmusstörungen bei Herzinsuffizienz.
Jeder Herzschlag ist eine Aufeinanderfolge von elektrophysiologischen und biochemischen Prozessen. Bei einem gesunden Herzen sind die verschiedenen Ionenströme haargenau aufeinander abgestimmt. Kommt es zu Dysbalancen zwischen den einzelnen Ionenströmen, begünstigt dies das Auftreten von Herzrhythmusstörungen. Das ist bei verschiedenen Herzerkrankungen der Fall, insbesondere aber bei Patient*innen mit Herzschwäche. Vor allem kommt es hier zu einem verspäteten Schließen von Natriumkanälen und dem Entstehen eines spät fließenden Natriumstroms, der zu den genannten Dysbalancen führt. Insbesondere Rhythmusstörungen aus den Herzkammern sind dabei potenziell lebensbedrohlich und führen zu einer erhöhten Sterblichkeit der Patient*innen.
„Von Herzrhythmusstörungen ist etwa jeder dritte Herzschwäche-Patient betroffen. Bislang gibt es nur wenige Medikamente für die Behandlung, die zugelassenen Präparate führen oft zu starken Nebenwirkungen. Daher besteht der Bedarf, neue wirksame Substanzen zu entwickeln, die für diese Patient*innen sicher und wirksam eingesetzt werden können. Um dies zu erreichen, ist zunächst jedoch ein verbessertes Verständnis für die Entstehung der Rhythmusstörungen nötig“, sagt Prof. Sossalla.
Dem Forscherteam des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) um Prof. Dr. Samuel Sossalla, Leiter der Arbeitsgruppe Kardiovaskuläre experimentelle Elektrophysiologie und Bildgebung, und Prof. Dr. Katrin Streckfuß-Bömeke, Leiterin der Arbeitsgruppe Translationale Stammzellforschung, beide Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG, ist es gelungen, einen neuen Entstehungsmechanismus von Herzrhythmusstörungen bei Herzschwäche aufzudecken.
Durch eine Vielzahl aufwändiger Versuchsreihen konnten sie nun nachweisen: Ein eigentlich dem Nervensystem zugeordneter Natriumkanal (NaV1.8) kommt bei einer Herzschwäche vermehrt in den Herzmuskelzellen vor. Dieser interagiert mit der Kalzium-Calmodulin-abhängigen-Proteinkinase II (CaMKII), einem zentralen Protein in der Entstehung der Herzschwäche. Durch diese Interaktion kommt es zu einer dramatischen Steigerung des späten Natriumstroms.
Für ihre Untersuchungen verwendeten die Forscher*innen Herzmuskelgewebe von Patient*innen mit Herzschwäche sowie humane induzierte pluripotente Stammzellen. Diese Zellen werden aus Haut- oder Blutbiopsien von Patient*innen gewonnen und unter definierten Bedingungen zu schlagenden Herzmuskelzellen umgewandelt.
„In diesen Zellen wurde mit der Genschere CRISPR-Cas9 der Natriumkanal Nav1.8 herausgeschnitten. Bei den so veränderten Zellen konnte der späte Natriumstrom tatsächlich gestoppt werden. Dies brachte den endgültigen Nachweis, dass Nav1.8 am späten Natriumstrom beteiligt ist“, sagt Prof. Streckfuß-Bömeke. In weiteren Versuchen mit den veränderten Zellen bestätigte sich die Annahme, dass sich mit Hemmung des späten Natriumstroms auch die Herzrhythmusstörungen vermindern. „Im Mausmodell zeigten sich ebenfalls weniger Herzrhythmusstörungen, nachdem Nav1.8 ausgeschaltet wurde. Dadurch verbesserte sich auch das Überleben der Mäuse. Dies macht Hoffnung, dass es sich hierbei tatsächlich um einen wirksamen Therapieansatz für Rhythmusstörungen handelt“, sagt Dr. Philipp Bengel, Assistenzarzt der Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG und einer der Erstautoren der Publikation.
In einem nächsten Schritt möchten die Wissenschaftler*innen Hemmer des Kanals im Hinblick auf die Wirksamkeit bei Herzrhythmusstörungen untersuchen, die bereits im Bereich der Schmerzforschung in klinischen Studien eingesetzt wurden.
„Die Studie ist eine wichtige Grundlage und könnte ein Durchbruch für die bis dato nicht ausreichende Behandlung der Herzrhythmusstörung bei Herzinsuffizienz-Patient*innen darstellen. Die Zusammenarbeit verschiedener Arbeitsgruppen am Herzzentrum Göttingen waren die Voraussetzungen, verschiedene Sichtweisen und Ansätze zum Gewinn neuer, wichtiger Erkenntnisse beizutragen“, sagt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Vorsitzender des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen und Mitautor der Studie.
Ihre Erkenntnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Originalpublikation: Bengel, P., Dybkova, N., Tirilomis, P. et al. Detrimental proarrhythmogenic interaction of Ca2+/calmodulin-dependent protein kinase II and NaV1.8 in heart failure. Nat Commun 12, 6586 (2021). https://doi.org/10.1038/s41467-021-26690-1
Weitere Informationen unter:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Klinik für Kardiologie und Pneumologie
Prof. Dr. Samuel Sossalla
Telefon 0551 / 39-63648
E-Mail: ssossalla(at)med.uni-goettingen.de
Prof. Dr. Katrin Streckfuß-Bömeke
Telefon 0551 / 39-12667
E-Mail: katrin.streckfuss(at)med.uni-goettingen.de
Fokusprojekte in der Forschung, Oberflächendesinfektion in Zeiten von Corona, fast forward ins Jahr 2030 und der Mehrwert des metropolregionalen Verbunds - wir durften mit Dr. Kristina Lachmann, Gruppenleiterin Atmosphärendruck-Plasmaverfahren / Medizintechnik und pharmazeutische Systeme sprechen.
GesundheIT: Frau Dr. Lachmann, was sind Ihre aktuellen Fokusprojekte in der Forschung?
Dr. Lachmann: Derzeit baue ich am Fraunhofer IST das Anwendungsfeld „Medizin- und Pharmatechnologie“ auf. Hier werden technologieübergreifend die Kompetenzen des Fraunhofer IST gebündelt und weiterentwickelt. Mein technologischer Fokus liegt dabei auf der Oberflächentechnik mit Atmosphärendruck-Plasmaverfahren. Diese Verfahren können u.a. für die Reinigung und Desinfektion eingesetzt werden. Andere Fragestellungen sind die Herstellung antimikrobieller Oberflächen oder die Integration von Plasmaverfahren in 3D-Druck-Prozesse. Dies ist beispielsweise für Implantate oder pharmazeutische Systeme interessant. Hier arbeite ich insbesondere im „Leistungszentrum für Medizin- und Pharmatechnologie“ mit den Fraunhofer-Instituten ITEM und IMTE und dem Zentrum für Pharmaverfahrenstechnik PVZ der TU Braunschweig zusammen. Ein besonderes Highlight ist außerdem das „Patientenzimmer der Zukunft“, welches in enger Kooperation mit dem Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE) der TU Braunschweig und dem Städtischen Klinikum Braunschweig realisiert wird.
GesundheIT: In Zeiten von Corona kommt Ihr Plasmasystem zur Desinfektion von Oberflächen zum Einsatz – können Sie darüber mehr berichten?
Dr. Lachmann: Im Rahmen eines Fraunhofer-internen Projekts konnten verschiedene Systeme aufgebaut werden, die in einem mobilen Reinigungsroboter integriert werden können. Wir haben dafür ein Plasmasystem weiterentwickelt, sodass es mobil eingesetzt werden kann. Wichtig dafür war z.B., dass während des Prozesses keine schädlichen Abgase in die Umgebung gelangen und trotzdem eine effiziente und materialschonende Reinigung erfolgt.
GesundheIT: Wo steht die Oberflächenforschung in 2030 und welche Grenzen gibt es heute?
Dr. Lachmann: Oberflächentechnik ist eine Schlüsseltechnologie und insbesondere die optimale Gestaltung der Grenzfläche ist bereits heute für viele Produkte und Anwendungen höchst relevant. Aber auch viele neue Produkte und Anwendungen, angefangen von Batterien bis hin zur Arzneimittelproduktion werden durch Fortschritte in der Schicht- und Oberflächentechnik erst ermöglicht. Beschichtete Oberflächen können Vorteile oder Funktionen bieten, die das Grundmaterial selbst nicht leisten kann, z.B. Verschleißbeständigkeit und leichte Reinigbarkeit. In der Regel erfordern Oberflächen und insbesondere dünne Schichten jedoch vor- und nachgelagerte Prozesse, so dass es immer wichtiger wird Prozessketten und ganze Produktionssystems auszulegen. Grenzen für die Oberflächentechnik gibt es eigentlich keine, aber natürlich viele Herausforderungen und noch nicht gelöste Forschungsfragen. Beispiele sind dünne Schichten für große und geometrischer komplexe Bauteile oder dünne und langzeitstabile antibakterielle Beschichtungen, die keine Metallionen freisetzen.
In Bezug auf Nachhaltigkeit und geschlossene Material- und Stoffkreisläufe wird die Oberflächentechnik zunehmend eine Schlüsselrolle einnehmen. In vielen Produkten und insbesondere bei Kunststoffverpackungen werden Materialverbünde eingesetzt. Die Trennung der einzelnen Komponenten ist i.d.R. eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Materialien einer Kreislaufwirtschaft zugeführt werden können. Aktuell ist das in vielen Fällen nicht möglich. Hier sind innovative Lösungen gefragt, bei denen die Gestaltung der Grenzfläche auch in Zukunft ein entscheidender Erfolgsfaktor sein wird.
GesundheIT: Welchen Mehrwert wünschen Sie sich aus dem metropolregionalen Verbund und wie können andere von einer Zusammenarbeit mit Ihnen profitieren?
Dr. Lachmann: Durch die Mitarbeit im metropolregionalen Verbund verspreche ich mir einen intensiven Austausch mit Akteuren aus anderen Disziplinen, aus dem spannende neue Projekte und Innovationen entstehen. Gleichzeitig freue ich mich, dass Fraunhofer IST u.a. im Bereich medizinischer und pharmazeutischer Fragestellungen weiter bekannt zu machen. Durch unser breites Spektrum an Technologien der Oberflächentechnik, eine umfangreiche Analytik, unsere Kompetenzen im Bereich Verfahrens-, Prozess- und Fertigungstechnik sowie unserer Expertise in der Digitalisierung, Modellierung und Simulation und unserem Anwenderwissen in unterschiedlichsten Branchen vom Maschinenbau über Optik bis hin zur Pharmaverfahrens- und Umwelttechnik sehen als interessanten Partner für die Mitglieder des Verbunds. In meiner bisherigen Laufbahn waren die Projekte, die in interdisziplinären Konsortien entwickelt und bearbeitet wurden, oftmals die Spannendsten – insbesondere, wenn sie anwendungsbezogen und gesamtgesellschaftlich relevant waren. In diesem Sinne bin ich davon überzeugt, dass der Verbund einen echten Mehrwert für alle bietet.
GesundheIT: Vielen Dank für Ihre Zeit, Frau Dr. Lachmann.
ROWIAK Geschäftsführer Prof. Dr. Holger Lubatschowski spricht über sein Home-Augendiagnostik-Gerät für die Untersuchung von Zuhause aus, neue Arten der Diagnostik durch Deep Learning, die neu gegründete Tochterfirma OCUMAX Healthcare GmbH und die Zusammenarbeit im metropolregionalen Netzwerk.
GesundheIT: Herr Prof. Lubatschowski, zu Ihren #Fokusthemen: Welche Forschungsschwerpunkte hat ROWIAK im Bereich der (digitalen) Gesundheitswirtschaft?
Prof. Lubatschowski: ROWIAK entwickelt ein Augendiagnostik-Gerät mit dem Patienten den Verlauf ihrer Erkrankung zu Hause überwachen können. Viele Augenerkrankungen sind altersbedingt. Entsprechend sind die Patienten oft weniger mobil und der Besuch beim Augenarzt fällt entsprechend schwer – gerade auf dem Land. Eine Überwachung zuhause gibt den Patienten Sicherheit und sie müssen nicht mehr so häufig die Mühe auf sich nehmen zum Arzt zu fahren. Um das innovative „Home Care“ Diagnosesystem schnell zur Marktreife zu bringen hat ROWIAK eigens ein Startup, die OCUMAX Healthcare GmbH gegründet. Damit können wir gezielter Investoren ansprechen, die sich für den Bereich digitale Gesundheitswirtschaft interessieren.
GesundheIT: Lassen Sie uns über die #Zukunft sprechen: Was sind Ihre Zukunftsvisionen?
Prof. Lubatschowski: Die zuhause beim Patienten ermittelten Daten müssen natürlich dem Arzt übermittelt werden. Das geschieht digital. Zum einen müssen die Daten sicher übertragen werden. Was eine Herausforderung an sich ist. Darüber hinaus werden aber auch eine Unmenge an Bilddaten von sehr vielen Pateinten erhoben, die in Summe eine neue Art der Diagnostik ermöglichen. Mittels Deep Learning Algorithmen können Veränderungen im Krankheitsverlauf früher erkannt oder gar prognostiziert werden. Entsprechend früh kann man die passende Therapie dafür einleiten.
GesundheIT: Zu Ihrer #Motivation: Welchen Mehrwert wünschen Sie sich aus dem Verbund der Metropolregion?
Prof. Lubatschowski: ROWIAK und ihre Tochterfirma OCUMAX sind spezialisiert auf den Bereich Optik. Die Herausforderungen auf dem Gebiet der Telemedizin und Künstlicher Intelligenz können wir wahrscheinlich nicht alleine meistern. Entsprechend sind wir auf Zusammenarbeit mit anderen Spezialisten angewiesen. Ein Netzwerk wie die Metropolregion kann uns hier helfen, die richtigen Partner zu finden. Ferner brauchen wir mittelfristig einen guten Draht zu den Krankenkassen und dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), um eine mögliche Kostenrückerstattung für die Patienten rechtzeitig in die Wege zu leiten. Auch hier kann und die Metropolregion helfen.
GesundheIT: Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Prof. Lubatschowski.
Bluttransfusionen gehören zu den häufigsten Eingriffen in Krankenhäusern. Die Tendenz der Blutspender*innen in Deutschland nimmt jedoch ab. Das Forschungsteam um Professor Dr. Rainer Blasczyk, Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin und Transplant Engineering der Medizinischen Hochschule (MHH) arbeitet an einer Lösung: mit Hilfe molekularbiologischer Methoden werden speziell angepasste Blutzellen aus Stammzellen hergestellt, um Versorgungsengpässe zu beseitigen. Das Projekt „Hemoforce“ wird vom Bundesministerium der Verteidigung für zunächst vier Jahre mit mehr als drei Millionen Euro gefördert.
Bessere Verträglichkeit ohne Antigene
Zudem sei es nicht immer einfach, frische Blutkonserven dorthin zu transportieren, wo sie aktuell benötigt werden. Doch auch wenn es vorhanden ist, hat gespendetes Blut durchaus Nachteile. So sind bei einer Transfusion nicht nur die verschiedenen Blutgruppen zu berücksichtigen. Auch Gewebemerkmale, die sogenannten Humanen Leukozyten Antigene (HLA), spielen eine Rolle. Diese Moleküle auf der Oberfläche von Körperzellen sind vergleichbar mit den Blutgruppenantigenen auf den roten Blutkörperchen und unterscheiden sich individuell von Mensch zu Mensch. Bei einer Stammzelltransplantation müssen die HLA-Merkmale möglichst ähnlich sein, damit das Immunsystem des Empfängers die Spenderzellen nicht abstößt. Auch nach einer Transfusion können Thrombozyten, die nicht zueinander passende HLA-Proteine aufweisen, von Komponenten des Immunsystems des Empfängers erkannt und zerstört werden. Ein weiteres Problem bei konventionellen Blutkonserven sind mögliche Krankheitserreger, da Blut nicht auf alle Erreger untersucht werden kann und zudem alle Testverfahren eine Nachweisgrenze aufweisen.
Unbegrenzte Produktion im Bioreaktor
„Die Nachteile herkömmlicher Blutspenden erfordern es dringend, das Modell und die Strukturen der Blutversorgung neu zu gestalten“, betont der Transfusionsmediziner. Seit etwa 30 Jahren arbeiten weltweit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits am „Blood Pharming“, also der künstlichen Herstellung von Blutprodukten. Eine Massenproduktion für die klinische Anwendung ist bislang jedoch noch nicht in Sicht.
Das MHH-Projekt konzentriert sich zunächst auf sogenannte Megakaryozyten. Die blutbildenden Zellen kommen vor allem im Knochenmark vor und entwickeln sich zu den für die Blutgerinnung wichtigen Blutplättchen, den Thrombozyten. Das Forschungsteam stellt sie in Zellkultur aus induzierten pluripotenten Stammzellen (IPSC) her. Das sind genetisch umprogrammierte Körperzellen, die ähnliche Eigenschaften wie embryonale Stammzellen haben, sich also in alle Gewebetypen entwickeln können. Diese Methode ebnet den Weg für eine unbegrenzte Produktion künstlicher Blutzellen im Bioreaktor.
Megakaryozyten-Zellen produzieren Blutplättchen im Mausmodell
„Wir gewinnen die iPSC aus reprogrammierten Zellen eines Menschen mit Blutgruppe Null, die als ideale Spendergruppe keine AB0-Antigene trägt und daher für alle Empfänger gleichermaßen passt“, erklärt Professorin Dr. Constanca Figueiredo, Leitende Wissenschaftlerin am Institut und stellvertretende Projektleiterin. Zudem hat die Wissenschaftlerin die iPSC gentechnisch verändert und dabei auch die HLA-Merkmale der Zellen abgeschaltet. Das Ergebnis ist eine Art Blaupause für „neutrale“ Megakaryozyten-Zellen, die vom Immunsystem des Empfängers nicht mehr als fremd erkannt werden und somit ungestört Blutplättchen produzieren können, ohne dass der Körper Antikörper gegen sie bildet.
Dass der Ansatz funktioniert, hat das Forschungsteam bereits im Mausmodell nachgewiesen. „Bereits eine Stunde nach der Transfusion haben die Megakaryozyten-Zellen begonnen, sehr nachhaltig Thrombozyten zu bilden“, sagt Professorin Figueiredo. Das sollte beim Menschen ebenso gelingen, ist die Wissenschaftlerin überzeugt. „Ein lebender Körper ist immer der beste Bioreaktor.“ Die Gefahr, dass die Spenderzellen entarten und Tumore entstehen, besteht nicht. „Die Megakaryozyten-Zellen werden vor der Transfusion bestrahlt und können sich daher nicht mehr teilen, sondern nur noch Thrombozyten produzieren“, erläutert Professor Blasczyk. Die Blutplättchen selbst haben ohnehin keinen Zellkern, können sich also von Natur aus nicht eigenständig vermehren.
Probleme der Lagerung beheben
Ein weiterer Aspekt ist die Lagerung der Blutzellen. Bislang werden Blutkonserven und Zellprodukte in flüssigem Stickstoff tiefgefroren, um sie länger haltbar zu machen. Damit die Zellen das überstehen, wird den Blutkonserven unter anderem Glycerin beigemischt, das vor der Transfusion wieder entfernt werden muss. Zusammen mit Professor Dr. Willem Wolkers vom Niedersächsischen Zentrum für Biomedizintechnik, Implantatforschung und Entwicklung (NIFE) sollen neue Kryotechniken entwickelt werden.
„Wir wollen Kryoprotektiva ohne giftige Nebenwirkungen finden, die das aufwendige Reinigen überflüssig machen und zudem eine Lagerung bei höheren Temperaturen erlauben“, sagt Professor Blasczyk. In der zweiten Förderphase will das Forschungsteam in die Massenproduktion der künstlichen Blutzellen einsteigen und erste klinische Studien am Menschen durchführen.
Quelle: Presse MHH: Medizinische Hochschule Hannover : Designerblut aus Stammzellen (mhh.de)
Bildquelle: Karin Kaiser / MHH
SERVICE: Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Dr. Rainer Blasczyk, blasczyk.rainer@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-6700.
Gemeinsam für die Pandemieprävention von morgen – das ist das Ziel unseres neuen Förderprojekts PaPräKa - PandemiePräventionsKampagnen. PaPräKa ist eine Kommunikationsplattform für Initiativen, Projekte und Maßnahmen der Pandemieprävention in der Metropolregion. Wir wollen das Bewusstsein in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Bevölkerung für die Notwendigkeit von Präventivmaßnahmen gegen Pandemien schärfen und gemeinsam mit relevanten Stakeholdern ein Netzwerk aufbauen, um vorbeugende Maßnahmen zu entwickeln. Mehr über PaPräKa erfahren Sie auf unserer neuen Landingpage!
Unser erster Pandemie-Workshop steht an!
Am 17.5.2022 wird das Projekt RAPID – Response Against Pandemic Infectious Diseases – in einem moderierten Workshop vorgestellt. Angesiedelt am Innovationszentrum Niedersachsen und in Kooperation mit BioRegioN und startup.niedersachsen verfolgt RAPID das primäre Ziel, durch eine intensivere Vernetzung relevanter niedersächsischer Akteur*innen die Translation exzellenter Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln mit Blick auf zukünftige pandemische Herausforderungen zu optimieren und damit verbundene Prozesse zu beschleunigen (Genaueres zu RAPID finden Sie hier: https://startup.nds.de/rapid/).
Gemeinsam mit Experten*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Technologietransfer soll am 17. Mai über eine Roadmap für die bessere Vorbereitung und Reaktion auf künftige pandemische Bedrohungen diskutiert werden. Für diesen Austausch sind Impulse geplant von:
Für Interessierte, die wissenschaftlich oder im Bereich der damit verbundenen Infrastrukturen in Niedersachsen zur Bekämpfung von Pandemien beitragen können, ist eine formlose Anmeldung* unter events@metropolregion.de möglich. Zu beachten ist die begrenzte Teilnehmendenzahl.
Myxobiotics entwickelt eine neue Klasse von Antibiotika gegen kritische Atemwegsinfekte, die schwierig zu behandeln sind. Der Ansatz von Myxobiotics beruht auf einer neuen Klasse von Naturstoffen, den Cystobactamiden. Sie wurden von Prof. Rolf Müller und Prof. Mark Brönstrup und ihren Teams am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) als vielversprechende antibiotische Wirkstoffe entdeckt und in enger Kooperation mit Dr. Thomas Hesterkamp und Evotec weiterentwickelt. Das HIPS ist ein Standort des HZI in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes. Der von der Pharmaindustrie unterstützte Inkubator INCATE hat das HZI-Start-up-Projekt Myxobiotics als eines der ersten Förderprojekte ausgewählt.
Erste präklinische Daten zeigen, dass die Wirkstoffe rasch Bakterien vernichten und Resistenzen überwinden können. Damit könnten sie ein wirksames Instrument zur Bekämpfung von schwerwiegenden Infekten werden, die von Acinetobacter baumannii verursacht werden. Dazu zählen u. a. Infektionen der Blutbahn und Lungenentzündungen, die im Krankenhaus und durch Beatmungsgeräte übertragen werden.
Die Auswahl durch INCATE unterstreicht das Potenzial von Myxobiotics und eröffnet dem Team Zugang zu erstklassiger Beratung und Expertise durch ein Netzwerk spezialisierter Wissenschaftler, Industrievertreter und Investoren. Außerdem erhält es bis zu 10.000 Euro an Fördermitteln über die kommenden 6 Monate und bis zu weitere 250.000 Euro, wenn es in die zweite Runde gelangt. INCATE wurde letztes Jahr als pan-europäische, öffentlich-private Partnerschaft gegründet, um Innovationen voranzubringen, die dazu beitragen, die Gefahr zunehmender Antibiotikaresistenzen zu bekämpfen.
Ascenion, Technologietransferpartner des HZI, hat über mehrere Jahre hinweg eng mit den Wissenschaftlern zusammengearbeitet, um eine solide IP-Position aufzubauen, die Translation zu unterstützen und die Ausgründung vorzubereiten.
Quelle: News Detail | Aktuelles | Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (helmholtz-hzi.de)
Bildquelle: HZI / Hans Reichenbach
Seit kurzem können alle stationären Patientinnen und Patienten der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mit ihren Behandlungsdaten die medizinische Forschung unterstützen. „Helfen Sie, die Medizin von morgen zu entwickeln!“, bittet MHH-Präsident Professor Dr. Michael Manns. Die MHH ist Teil der Medizininformatik-Initiative (MII) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Eine bundesweit einheitliche Einwilligungserklärung ermöglicht der medizinischen Forschung, erstmalig auf Basis der EU-Datenschutzgrundverordnung eine breite Einwilligung in die Nutzung pseudonymisierter klinischer Daten einzuholen. Solche Daten sind von unschätzbarem Wert für die Medizin der Zukunft.
„Die MHH ist eine der forschungsaktivsten hochschulmedizinischen Einrichtungen in Deutschland. Mit der neuen Initiative, an der sich viele Unikliniken beteiligen, treten wir gemeinsam für den medizinischen Fortschritt ein“, betont Professor Manns. Die Patientendaten werden den Forschenden anderer deutscher Universitätsklinika zugänglich gemacht und auch für gemeinsame, multizentrische Forschungsvorhaben genutzt. Dabei werden die strengen Regelungen der EU-Datenschutzgrundverordnung geachtet: Eine Rückverfolgung der Daten zur ursprünglichen Person ist damit ausgeschlossen.
An der MHH gilt die unterschriebene Einwilligung für 30 Jahre, das heißt, dass Patientendaten bis zu 30 Jahre lang gespeichert und für Forschungszwecke genutzt werden dürfen, wenn die Betreffenden sie nicht widerrufen. Nach fünf Jahren werden die Patientinnen und Patienten erneut um Einwilligung gebeten.
Die gespeicherten Daten dürfen auch für unvorhergesehene Fragestellungen genutzt werden. Das ist eine wichtige Voraussetzung für eine Vielzahl von Forschungsvorhaben – von der personalisierten Medizin bis hin zur Entwicklung von KI-basierten Entscheidungshilfen. Ein Muster für die breite Einwilligung, den sogenannten Broad Consent, haben die an der Medizininformatik-Initiative beteiligten Universitätskliniken erarbeitet. Hier finden Sie den Mustertext zur Patienteneinwilligung.
Weitere Informationen zur Medizininformatik-Initiative finden Sie hier.
CoV-2-Viren besitzen die Fähigkeit, sich zu tarnen, so dass sie bei einer Infektion nicht sofort vom Immunsystem erkannt werden. In einem Mausmodell haben Wissenschaftler*innen um Professor Gunther Hartmann vom Universitätsklinikum Bonn und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) nun gezeigt, dass durch Stimulierung eines speziellen Virus-detektierenden Immunrezeptors das Immunsystem frühzeitig aktiviert und damit sehr viel schneller auf die Infektion mit dem Virus reagieren konnte. Die Immunstimulierung verbesserte nicht nur den Schutz vor tödlichen SARS-CoV-2-Infektionen in den Mäusen, sondern verringerte auch deutlich die Häufigkeit schwerer Krankheitsverläufe.
Die SARS-CoV-2-Pandemie hat einen dringenden Bedarf an antiviralen Medikamenten und Impfstoffen offenbart. Besorgniserregend ist zudem das Auftreten neuer SARS-CoV-2-Varianten, die in der Lage sind, sich in infizierten Zellen zu tarnen um dem Immunsystem zu entgehen. Da diese auch in einer durch Impfung immunisierten Bevölkerung hohe Infektionszahlen verursachen können, sind antivirale Medikamente zur Behandlung von COVID-19 dringend erforderlich.
SARS-CoV-2 ist mit mehreren molekularen Werkzeugen ausgestattet, die es dem Erreger ermöglichen, der Erkennung durch das Immunsystem zu entgehen. Das Virus trägt die Information zur Herstellung einer Reihe von Proteinen, die in der Lage sind, antivirale Erkennungssysteme der infizierten Zelle zu hemmen. Eigentlich kann das Immunsystem virales Erbgut (hier: Ribonukleinsäuren/RNA) identifizieren und Alarm schlagen. Proteine des SARS-CoV-2 können die virale RNA jedoch so verändern, dass sie von körpereigener RNA nicht mehr zu unterscheiden ist.
Tarnung schützt das Virus vor dem Immunsystem
So werden virale RNAs beispielsweise durch das Anknüpfen eines Methylrestes getarnt. Auf diese Weise entgeht die virale RNA der frühzeitigen Erkennung durch den zentralen Immunrezeptor RIG-I (retinoic acid-inducible gene I). Dieser löst bei Erkennung von ungetarnter viraler RNA eine erste Immunantwort aus, bei der antiviral-wirkende Proteine, Zell-Signale und Botenstoffe – wie unter anderem Typ-I-Interferon (IFN) – produziert werden. „Eine robuste, frühe Produktion von Typ-I- und anderen Interferontypen ist der Schlüssel zur Beseitigung einer SARS-CoV-2-Infektion. Bleibt sie aus, schreitet die Erkrankung fort und kann einen schweren Verlauf nehmen“, erklärt Studien-Koautorin Prof. Eva Bartok.
Diese Antwort des Immunsystems erfolgt gewöhnlich erst einige Tagen nach der Infektion und umfasst neben der Aktivierung von RIG-1 durch virale RNA auch die Aktivierung weiterer Immunzellen und schließlich die Bildung von Antikörpern. In der vorliegenden Studie haben die Forschenden die Wirkung von synthetischer RNA auf die Immunantwort und den Verlauf der Infektion mit SARS-CoV-2 in einem Mausmodell untersucht.
Mausmodell bildet menschliche COVID-19-Krankheit und Immunantwort nach
Da Mäuse im Allgemeinen nicht für SARS-CoV-2 empfänglich sind, mussten genetisch angepasste Mäuse verwendet werden, die das SARS-CoV-2 bindende zelluläre Oberflächenprotein ACE2 bilden. Anhand dieses Modells konnten die Forschenden zeigen, dass eine systemische Anwendung von synthetischer RNA ein bis sieben Tage vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 beziehungsweise einen Tag nach der Infektion den Anteil der tödlichen Infektionen drastisch reduzierte. „Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass die gezielte Beeinflussung von RIG-I, sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch, ein vielversprechender Ansatz zur Behandlung von COVID-19 ist. Vor einer Anwendung am Menschen müssen jedoch noch weitere Studien erfolgen“, fasst Studienleiter Prof. Gunther Hartmann zusammen.
Beteiligte Institutionen und Finanzierung:
Neben dem Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie, Institut für Virologie, Institut für Kardiovaskuläre Immunologie und der Mildred Scheel School of Oncology am Universitätsklinikum Bonn sowie dem Exzellenzcluster ImmunoSensation2 an der Universität Bonn waren das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung und das Institut für Tropenmedizin Antwerpen (Belgien) beteiligt.
Bildquelle: David Fußhöller, Universität Bonn
Quelle: Pressemitteilung der Universität Bonn | Neue Strategie für COVID-19-Prophylaxe | Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (dzif.de)
Originalpublikation: https://www.cell.com/molecular-therapy-family/nucleic-acids/fulltext/S2162-2531(22)00036-1?_returnURL=https%3A%2F%2Flinkinghub.elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%2FS2162253122000361%3Fshowall%3Dtrue
Münsteraner Forschungsprojekt entwickelt Hörscreening für Menschen mit geistiger Behinderung. Das Leuchtturmprojekt könnte in weltweit erstes Hörscreening für geistig Behinderte münden.
Menschen mit geistiger Behinderung leiden mindestens fünf- bis sechsmal häufiger an Hörstörungen als die übrige Bevölkerung. Daher begibt sich die Phoniatrie und Pädaudiologie der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster - wieder einmal - auf unerforschtes Terrain: Prof. Katrin Neumann und ihr Team widmen sich mit dem Projekt HörGeist unentdeckten oder unzureichend versorgten Hörstörungen in dieser Gruppe. Das Ziel: ein flächendeckendes Hörscreening für Menschen mit geistiger Behinderung. Das Vorhaben wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit 1,7 Millionen Euro gefördert. Derzeit ist die Arbeitsgruppe auf der Suche nach geeigneten Probanden – insgesamt 1.050 sollen es werden.
Ein „Leuchtturmprojekt“ nennt es Katrin Neumann - und meint damit den innovativen Ansatz sowie die möglichen Ergebnisse, die HörGeist mit sich bringen könnte: „Wenn unsere Studie erfolgreich läuft, könnten wir ein bundesweit flächendeckendes Hörscreening für diese ohnehin gesundheitlich benachteiligte Zielgruppe etablieren“, so die Fachärztin und Direktorin der münsterschen Uniklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, die schon das flächendeckende Neugeborenen-Hörscreening in Deutschland maßgeblich mit auf den Weg gebracht hat. Die ersten Schritte: ein regionales Hörscreening, gefolgt – wenn auffällig – von einer Hördiagnostik und Therapieeinleitung. Das damit befasste Studienteam setzt sich aus Fachleuten verschiedener Berufsrichtungen zusammen – unter anderem aus Medizin, Psychologie, Hörakustik, Pädagogik, Gesundheitsökonomie, Epidemiologie und Statistik.
Ein Jahr später ist ein zweites Screening vorgesehen, das auch den bisherigen Therapieerfolg überprüft. Prof. Neumann erklärt: „Bei HörGeist wollen wir die langfristige Machbarkeit und den Nutzen regelmäßiger Hörtests prüfen. Es geht darum, inwiefern wir dadurch tatsächlich die Hör- und Kommunikationsfähigkeit von Menschen mit geistiger Behinderung und ihre gesellschaftliche Teilhabe bessern können.“ Außerdem: Durch das G-BA-Projekt soll erstmals solide ermittelt werden, wie viele Menschen mit geistiger Behinderung tatsächlich von einer Hörstörung betroffen sind. Ob das von der Expertin für Stimm-, Sprach- und Hörgesundheit initiierte Projekt dann auch noch der Kosten-Nutzen-Analyse standhält, die das neue Vorgehen mit dem bisherigen vergleicht, ist in einem abschließenden Schritt zu prüfen.
Aus fördertechnischen Gründen setzt HörGeist zunächst im Rheinland an. G-BA-finanzierte Projekte dienen der Erprobung von Behandlungen im Hinblick auf ihren etwaigen Einsatz in der Regelversorgung und eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen, weshalb hier die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Rheinland/Hamburg Projektpartnerin ist. Die Hörtestungen laufen in der Lebensumgebung der Teilnehmenden, also in Wohnheimen, Werkstätten, integrativen und Förderkindergärten sowie entsprechenden Schulen.
Um sich von Münster aus mit dem Rheinland bestmöglich zu vernetzen, greifen Neumann & Co. auch auf die Telemedizin zurück. Insbesondere für die komplizierteren Fälle ist dieses „Instrument“ eine Bereicherung – und läuft folgendermaßen ab: „Mittels eines gesicherten Video-Calls schalten wir uns zu den Testungen und können alle Hörbefunde ansehen, mit den Untersuchten sowie und dem Screening-Mitarbeitenden vor Ort sprechen. Und: Wir können mit einem Video-Otoskop in die Ohren der Untersuchten schauen, um sie ärztlich zu beurteilen“, erläutert Philipp Mathmann, Projektarzt von HörGeist. „Wenn die ‚Screenenden‘ unterwegs sind, klingelt bei uns also ein paar Mal am Tag das Telefon und wir verbinden uns mit unseren Partnern in Aachen, Essen, Köln oder Düsseldorf, um gemeinsam die Diagnostik und die weiteren Behandlungsschritte zu besprechen“, so der Mediziner.
Allerdings: Corona erwies sich auch bei diesem Forschungsprojekt als Hemmschuh. „Zwischenzeitlich waren externe Personen in den Behinderten-Einrichtungen gar nicht erlaubt – wir konnten also noch nicht genügend Hörscreenings durchführen und die Personenzahl rekrutieren, die wir gerne hätten“, bedauert der Arzt. Die HörGeist-Verantwortlichen ladern daher alle Einrichtungen und Familien, die die Teilnahmekriterien der Studie erfüllen, ein, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen (Tel. 0251-83-59814, E-Mail: HoerGeist@ukmuenster.de). Denn, so Corinna Gietmann, die Projektkoordinatorin: „Nur gemeinsam kann es uns gelingen, Hörstörungen bei Menschen mit geistiger Behinderung besser aufzudecken, zu diagnostizieren und zu behandeln“.
Bildquelle: (Foto: WWU/K. Neumann)
Mehr zur Studie „HörGeist“ im Flyer unter: https://www.medizin.uni-muenster.de/fileadmin/einrichtung/fakultaet/presse/newsimg/HoerGeist_Flyer.pdf
Einem Forschungsteam unter der Leitung der Technischen Universität München (TUM) ist es gelungen, die Erbinformation von SARS-CoV-2 direkt nach dem Eindringen des Virus in die Zelle mit spezifischen Enzymen zu zerstören. Mithilfe der Erkenntnisse könnte eine neue Therapie gegen COVID-19 entwickelt werden.
Unser Genom enthält Bauanleitungen für Proteine und andere Moleküle. Damit diese von der Zelle produziert werden können, muss zunächst eine Art Abschrift dieser Bauanleitung erstellt werden, die in Form von sogenannten RNA-Molekülen vorliegt. Die Abschrift wird von den Zellen erkannt und umgesetzt. „Es existiert aber auch ein Mechanismus, der ganz spezifisch diese RNA zerstören kann, und in allen menschlichen Zellen als Teil der Genregulation stattfindet“, erklärt Dr. Thomas Michler, der die aktuelle Studie am Institut für Virologie der TUM und des Helmholtz Zentrums München geleitet hat. „Es handelt sich um die sogenannte RNA-Interferenz.“ Dabei werden in der Zelle kurze RNA-Stücke gebildet, siRNA genannt (small interfering RNA). Diese können spezifisch an bestimmte Stellen in einem RNA-Molekül binden. Die siRNA bildet mit Proteinen den sogenannten RNA-induzierten Silencing-Komplex (RISC) – ein Enzym, das die Ziel-RNA zerschneidet.
Virus schleust RNA in Zelle ein
„Es gibt schon länger die Bestrebung, diesen Mechanismus für die Therapie von Krankheiten zu nutzen“, erklärt Ulrike Protzer, die Leiterin des Instituts für Virologie. „In den vergangenen Jahren gab es viele Fortschritte in diesem Bereich. Unter anderem ist es nun möglich, die siRNA durch chemische Modifikationen so zu stabilisieren, dass sie nicht so schnell in den Zellen abgebaut wird.“
Bei SARS-CoV-2 gibt für die RNA-Interferenz zwei Angriffspunkte: Zum einen besteht das Genom des Virus aus RNA, welche in die infizierte Zelle eingeschleust wird und den Bauplan für neue Viren enthält. Zum anderen werden sogenannte subgenomische RNA-Moleküle gebildet, welche die Wirtszelle anweisen, Virus-Proteine zu produzieren.
Beginn des Replikationszyklus als effektivster Angriffspunkt
Das Forschungsteam wollte vor allem herausfinden, welche Strukturen der Virus-RNA am besten angegriffen werden können und in welchem Schritt des Replikationszyklus die Behandlung erfolgen sollte. „Unser Hauptergebnis ist, dass die RNA-Interferenz am effektivsten ist, wenn das Virus gerade in die Zelle eingedrungen ist“, erklärt Shubhankar Ambike, einer der Erstautoren der Studie. Hierbei waren siRNAs, welche selektiv das Virus-Genom angreifen, anderen siRNAs, die die subgenomischen RNA-Moleküle angreifen, überlegen.
In Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen der Ludwig-Maximilians-Universität und des Helmholtz Zentrum München machten die Forschenden zudem Versuche an menschlichem Lungengewebe, das sie mit SARS-CoV-2 infiziert hatten. In den Versuchen konnten sie ihre Ergebnisse bestätigen. In einem anschließenden Projekt planen die Forscherinnen und Forscher nun eine Methode zu entwickeln, mit deren Hilfe der Wirkstoff am effektivsten in die Lunge eingebracht werden kann. Die Ergebnisse könnten auch Grundlage für Therapien von anderen respiratorischen Viruserkrankungen sein.
Kontakt: Stefanie Reiffert Corporate Comms Center, TU München