„Unsere Studie ist ein wichtiger Baustein für die Literatur, da wir sehr wenig darüber wissen, was mit Patient*innen-Bewertungen in Kliniken passiert. Diese Lücke schließt PASOME“
Martin Emmert, Universität Bayreuth, Projektpartner PASOME
Die Hochschule Hannover und die Universität Bayreuth haben gemeinsam mit ihren Projektpartnern* drei Jahre lang die Patientenzufriedenheit in den sozialen Medien untersucht und Handlungsempfehlungen für Kliniken entwickelt (wir berichteten hier). Die Handlungsempfehlungen beinhalten die Bereiche Prüfung, Einleitung und Erläuterung, Reaktionsgeschwindigkeit, Danke und Entschuldigung, Inhalt, Kontakt und Verweise, Management, Beendigung und Schulung und sind hier im Detail abrufbar: http://www.public-reporting.wp.hs-hannover.de/wp-content/uploads/2021/12/Handlungsempfehlung-Online-Patienten-Feedback-2021-12-20.pdf
Grundlage für die Handlungsempfehlungen sind:
Auf der Abschlussveranstaltung am 23. Juni wurden die Ergebnisse vorgestellt und darüber diskutiert, welche Rolle Patientenerfahrungen und Krankenhausbewertungen in den sozialen Medien für das Public Reporting und die Qualitätstransparenz im Gesundheitswesen haben können. Wir durften mit Prof. Uwe Sander, Projektleiter von der Hochschule Hannover im Nachgang sprechen.
GesundheIT: Herr Prof. Sander, wie kam es zum Projekt und der Kooperation mit der Universität Bayreuth?
Sander: Mit Prof. Dr. Martin Emmert, der inzwischen an der Universität Bayreuth forscht und lehrt, besteht im Forschungsverbund Public Reporting seit mehr als zehn Jahren eine Kooperation. Ziel ist, die Potenziale der Qualitätstransparenz und Patientenzentrierung im Gesundheitswesen zu fördern.
GesundheIT: Social Media ist als Kommunikations- und Interaktionsplattform aus dem patientenorientierten (ambulanten) Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken. Wo sehen Sie Vor- und Nachteile für Gesundheitseinrichtungen?
Sander: Die Vorteile der Verwendung von Erfahrungsberichten und Bewertungen von Patient*innen und Angehörigen in den sozialen Medien und auf Bewertungsplattformen sind a) kostenlose Verfügbarkeit, b) Aktualität c) Konkretheit und Unmittelbarkeit der berichteten Erfahrungen, d) Eignung als Ergänzung zu systematischen Patientenzufriedenheitsbefragungen und Ergebnisse von medizinischen Qualitätssicherungsverfahren, e) Nutzungsmöglichkeit für Anregungen zu Verbesserungsmaßnahmen im Krankenhaus (Prozessoptimierung) f) Potenzial einer erheblichen positiven Auswirkung auf die Krankenhaus-Reputation.
Die Nachteile sind a) fehlende Repräsentativität der Erfahrungsberichte und Bewertungen, b) geringe Informationen über die Verfasser, c) Verzerrung von Bewertungsmaßstäben (überwiegend sehr gute oder sehr schlechte Bewertungen), d) Manipulationsmöglichkeiten und e) fehlende oder geringe Moderation von Erfahrungsberichten mit dem Ziel, unter anderem Schmähkritik, diffamierende Äußerungen, falsche Tatsachenbehauptungen, unzulässige Verallgemeinerungen und Preisgabe personenbezogener Daten zu verhindern.
Patientinnen und Angehörige möchten Feedback online an das behandelnde Krankenhaus zu einem selbst gewählten Zeitpunkt geben, in eigenen Worten und anonym. Gemeinsam mit Praktiker*innen, insbesondere Qualitätsmanager*innen in Krankenhäusern, wurde diskutiert, wie Patient*innenerfahrungen für die Verbesserung von Reputation und Qualität von Krankenhäusern verwendet werden können. Krankenhäuser haben zahlreiche Probleme, die verhindern, Erfahrungsberichte ihrer Patientinnen und von deren Angehörigen im Internet gezielt für Reputations‐ und Qualitätsverbesserungen nutzen zu können.
GesundheIT: Zentrale Ergebnisse: Was empfehlen Sie Gesundheitseinrichtungen im Umgang mit Patient*innen-Bewertungen?
Sander: Patient*innen und deren Angehörige, die einen Erfahrungsbericht über ihren Krankenaufenthalt verfassen, erwarten in der Regel, dass dieser Bericht von denjenigen gelesen wird, die für die medizinische Behandlung verantwortlich sind. Sie wünschen eine Reaktion, indem Mitarbeiter*innen des Krankenhauses auf die Rückmeldung der Patient*innen und Angehörigen angemessen und öffentlich antworten. Falls Anregungen und Kritikpunkte geäußert wurden, wird gewünscht, dass Verbesserungsmaßnahmen seitens des Krankenhauses erwogen und wenn möglich initiiert werden. Hierüber möchten Patient*innen und deren Angehörige öffentlich informiert werden, also auf der Plattform, auf der der Erfahrungsbericht ist.
GesundheIT: Public Reporting - sollte die Beantwortung und Auswertung zur Standardressource in Gesundheitseinrichtungen werden?
Sander: Die Auswertung und Beantwortung von Erfahrungsberichten über den Krankenaufenthalt ist nur einer von mehreren Aspekten des Public Reportings und somit nur eine von vielen Aufgaben für das Qualitätsmanagement von Krankenhäusern. Aufgrund der Potenziale von Erfahrungsberichten für die Reputation, Darstellung der Patientenzentrierung und Qualitätsverbesserung für Krankenhäuser sollte in den Häusern eine strukturierte Beschäftigung damit und die Festlegung diesbezüglicher organisatorischer Abläufe erwogen werden.
GesundheIT: Gibt es Unterschiede im Umgang mit Patient*innen-Feedback im internationalen Vergleich?
Sander: Während in den USA zahlreiche wegweisende Studien zu dem Thema veröffentlicht wurden, sind im staatlichen Gesundheitssystem in Großbritannien sowie in Australien und Irland die konkreten Nutzungen von Erfahrungsberichten für die Qualitätsverbesserung und Prozessoptimierung in Krankenhäusern am weitesten fortgeschritten. In diesen Ländern wurde ein professioneller Online-Feedback-Service für Krankenhäuser und Patient*innen eingerichtet, der in Großbritannien inzwischen mehr als 500.000 Erfahrungsberichte umfasst und mehr als 12.000 Krankenhausmitarbeiter*innen involvierte.
Das Projekt PASOME ist nun nach dreijähriger Laufzeit abgeschlossen.
GesundheIT: Was wünschen Sie sich für die weitere Verwendung der Studienergebnisse nach Projektabschluss? Gibt es weitere Pläne? Wie kann die Metropolregion GmbH weiterhin unterstützen?
Sander: Wir planen, unsere Ergebnisse in Fachzeitschriften zur Diskussion zu stellen und stehen gerne als Ansprechpartner für Krankenhäuser der Region zur Verfügung. Gemeinsam mit weiteren Partnern soll die Möglichkeit untersucht werden, einen professionellen Online-Feedback-Service für Krankenhäuser und Patient*innen nach britischem Vorbild zu entwickeln. Damit würde das Potenzial von Erfahrungsberichten für die Qualitätsverbesserung und Prozessoptimierung in Krankenhäusern künftig besser verfügbar werden.
GesundheIT: Vielen Dank, Herr Prof. Sander.
*Hochschule Hannover, Fakultät III / Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen (ZQ) / Qualitätsinitiative – Niedersächsischer Verein zur Förderung der Qualität im Gesundheitswesen e.V. (QI) / Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg / Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg GmbH / Techniker Krankenkasse Niedersachsen