Mesaconsäure: BRICS-Forschende entdecken entzündungshemmende Substanz

Veröffentlicht: 30. Juni 2022
Bildquelle: BRICS/TU Braunschweig

Ein Team von Wissenschaftler*innen um Professor Karsten Hiller vom Braunschweiger Zentrum für Systembiologie BRICS hat eine körpereigene, entzündungshemmende Substanz entdeckt: Mesaconsäure. Dieses Molekül könnte ein Wirkstoffkandidat sein, der sich zur Behandlung eines Schocks in Folge einer Blutvergiftung und bei Autoimmunerkrankungen wie Schuppenflechte und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (IBD) weiterentwickeln lässt – ohne die bekannten Nebenwirkungen bisher im Einsatz befindlicher entzündungshemmender Medikamente.

Das Team von Karsten Hiller beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit Stoffwechselprodukten, die bei der menschlichen Immunabwehr eine Rolle spielen. So haben die Wissenschaftler*innen 2013 entdeckt, dass Immunzellen im Blut und Gehirn von Säugetieren Itakonsäure herstellen – eine Substanz, die man bis dahin nur im Stoffwechsel von Pilzen gefunden hatte. Itakonsäure ist ein natürliches Antibiotikum, bekämpft also Bakterien und hemmt Entzündungen.

In der Folge dieser Entdeckung war Itakonsäure Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Dabei stellten die Forschenden fest, dass zusammen mit der Itakonsäure stets ein weiteres Stoffwechselprodukt auftritt: die Mesaconsäure. Mesaconsäure ist eine chemische Verbindung, die der Körper aus zuvor entdeckten Itakonsäure herstellt. „Uns hat interessiert, ob die Mesaconsäure ebenfalls einen Einfluss auf Entzündungsreaktionen hat“, sagt Professor Hiller. Bei Versuchen mit Labormäusen erkannte das Forschungsteam, dass dies tatsächlich der Fall ist: Verabreicht man Mesaconsäure an Mäuse, deren Immunsystem gerade „überschießt“, also eine zu starke Abwehrreaktion zeigt, geht es den Mäusen schnell besser. Ihre Chance, zu überleben, steigt.

Wenn Wissenschaftler*innen solch einen Effekt festgestellt haben, müssen sie die dahinterliegenden Stoffwechselprozesse genau verstehen. Bei den Untersuchungen fand das Forschungskonsortium, an dem neun Forschungsgruppen aus Braunschweig, Bonn, Luxemburg, La Jolla (USA) und Arhus (Dänemark) beteiligt sind, heraus, dass Mesaconsäure ähnlich stark entzündungshemmend wirkt wie Itakonsäure. „Allerdings gibt es einen gravierenden Unterschied“, sagt Dr. Wei He, Mitarbeiter in Hillers Team und Erstautor der Studie: „Im Gegensatz zu Itakonsäure blockiert Mesaconsäure nicht das Enzym Succinatdehydrogenase. Dieses Enzym hat eine zentrale Rolle im Stoffwechsel der Zellen.“

Succinatdehydrogenase (SDH) ist Teil der Atmungskette. Wird es – beispielsweise durch Itakonsäure – gehemmt, hat dies starke negative Wirkungen auf den Stoffwechsel. Da Mesaconsäure keinen blockierenden Effekt auf das SDH-Enzym, aber eine ähnlich gute entzündungshemmende Wirkung wie Itakonsäure hat, ist es als potentieller Wirkstoff gegen Autoimmunerkrankungen besonders interessant. „Wir müssen jetzt untersuchen, warum Mesaconsäure einen positiven, entzündungshemmenden Effekt auf das Immunsystem hat“, sagt He.

Wenn die Forschenden auf diese Frage präzise Antworten haben, können mit Mesaconsäure konkrete pharmakologische Untersuchungen beginnen. „Die Mesaconsäure könnte als Wirkstoff gegen Krankheiten in Frage kommen, bei denen das Immunsystem zu stark aktiviert ist – beim septischen Schock und vor allem auch Autoimmunerkrankungen wie Psoriasis oder bei entzündlicher Darmerkrankung“, so Professor Hiller. „Unter Umständen mit weniger Nebenwirkungen als andere Medikamente. Denn es handelt sich um eine Substanz, die der Körper selbst produziert und die die zentralen Stoffwechselwege in den Zellen nicht beeinträchtigt.“

Zur Studie

Die Studie entstand im Forschungsschwerpunkt „Infektionen und Wirkstoffe“ der TU Braunschweig im BRICS. Für die Untersuchungen wurde mit Mäusen und Immunzellen von Blutspendern gearbeitet. Die Tierversuche fanden am Luxembourg Institute of Health und an der Universität Bonn statt und wurden unter strengen Sicherheits- und Tierschutzauflagen durchgeführt. In Kooperation mit Hendricus Garritsen vom Klinikum Braunschweig wurden primäre Immunzellen von Blutspendern untersucht.

Über das BRICS: „Understanding Health“

Am Braunschweiger Zentrum für Systembiologie, dem BRICS, wollen die Forschenden verstehen, was Gesundheit bedeutet. Dafür untersuchen sie die molekularen Zusammenhänge, die biologische Systeme im Gleichgewicht halten. Am BRICS betrachten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit modernsten Methoden biologische Zellen und erfassen ganzheitlich und präzise den Status hochkomplexer Stoffwechsel-Netzwerke. Mit Hilfe computergestützter, bioinformatischer Methoden identifizieren sie diejenigen Faktoren, die biologische Systeme aus dem Gleichgewicht geraten lassen – und so zu Erkrankungen führen. Die so gewonnenen Erkenntnisse bringt das BRICS in die Entwicklung innovativer Therapien ein.

Das BRICS ist ein gemeinsames Forschungszentrum der TU Braunschweig, des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und dem Leibniz-Institut DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH.

Kontakt:

Prof. Dr. Karsten Hiller
Technische Universität Braunschweig
Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik
Abteilung Bioinformatik und Biochemie
Rebenring 56
38106 Braunschweig
karsten.hiller@tu-braunschweig.de

Quelle: https://magazin.tu-braunschweig.de/pi-post/wirksam-gegen-ein-ueberschiessendes-immunsystem/

Die Förderstiftung MHH plus zeichnet Professor Dr. Christoph Huber und PD Dr. Anna Saborowski aus, Wissenschaftsminister Björn Thümler und MHH-Präsident Prof. Michael Manns überreichen Preise.

Der Johann-Georg-Zimmermann-Forschungspreis und die Johann-Georg-Zimmermann-Medaille gehören zu den höchsten Auszeichnungen für Verdienste in der Krebsforschung in Deutschland. Die Förderstiftung MHH plus hat die Preise am Montag, 13. Juni 2022, in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) verliehen. Der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur Björn Thümler hat gemeinsam mit MHH-Präsident Prof. Dr. Michael Manns die Preise überreicht.

„Der Johann-Georg-Zimmermann-Preises ist eine der wichtigsten Auszeichnungen Deutschlands im Bereich der Krebsforschung. Ein Blick in die Biografie des Namensgebers macht auf verblüffende Art und Weise deutlich, wie aktuell und relevant sein Leben und Wirken für heutige medizinische Diskurse ist. Die heutigen Preistragenden stehen beispielhaft für die Potenziale einer modernen Krebsforschung“, so Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler. „Ich gratuliere Dr. Anna Saborowski und Prof. Dr. Christoph Huber von ganzem Herzen. Nicht zuletzt, weil mir die Stärkung von Transfer, Translation und Wissenschaftskommunikation ein Herzensanliegen bleibt – nicht nur bei der Bekämpfung der Volkskrankheiten.“

Mit der Johann-Georg-Zimmermann- Medaille wurde Prof. Dr. Christoph Huber, ehemaliger Leiter der III. Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Mainz und Mitgründer des Unternehmens BionTech, für seine Verdienste um die Immuntherapie bei onkologischen Erkrankungen ausgezeichnet. Seine Arbeiten zur translationalen Entwicklung der mRNA-Impftechnologie haben die Behandlung solider Tumoren und von Infektionskrankheiten wie SARS-CoV 2 maßgeblich verändert. Darüber hinaus hat er als Firmenmitgründer und Wissenschaftsnetzwerker im Kampf gegen Krebs immer wieder neue Impulse gesetzt.

Den mit 10.000 Euro dotierten Johann-Georg-Zimmermann-Forschungspreis - gerichtet an junge Krebsforscherinnen und Krebsforscher für ihre aktuelle wissenschaftliche Arbeit - erhielt PD Dr. Anna Saborowski, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der MHH. Als Clinical Scientist an der Schnittstelle zwischen Krankenversorgung und Grundlagenforschung treibt sie die Weiterentwicklung von Therapieansätzen für die Behandlung von Gallengangkarzinomen maßgeblich voran.

„Mit Prof. Dr. Christoph Huber ehren wir einen der herausragenden und innovativsten Onkologen unserer Zeit, der mit seinen Mitarbeitenden und Weggefährten der Immuntherapie von Tumoren den Weg in den klinischen Alltag geebnet hat“, betont MHH-Präsident Prof. Dr. Michael Manns. „Und PD Dr. Anna Saborowski zeigt durch ihre Forschungen, wie bedeutsam die personalisierte Tumortherapie für die Überwindung von Therapieresistenzen ist.“

Herausragender Forscher und Netzwerker

Prof. Dr. Christoph Huber gilt als einer der Pioniere und Visionäre der immunologischen Krebsforschung, deren richtungsweisendes Potenzial der gebürtige Wiener schon in den siebziger Jahren erkannte. 2008 gehörte Professor Huber zu den Mitgründern der Mainzer Biotechnologieunternehmen Ganymed und BioNTech, denen er als Aufsichtsratsmitglied  verbunden war und ist. Christoph Huber studierte Medizin in Innsbruck, absolvierte hier auch seine Facharztausbildung in Innerer Medizin und schloss dort ebenfalls seine Habilitation ab. 1983 begründete er in Innsbruck eine der ersten europäischen Stammzelltransplantationseinrichtungen. Ab 1990 prägte Prof. Huber fast 20 Jahre lang die III. Medizinische Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz – unter seiner Ägide wurde sie zu einer international führenden Einrichtung zur Behandlung bösartiger Blut- und Tumorerkrankungen und einem Zentrum für Stammzelltransplantation und Palliativmedizin. Durch sein Engagement konnten zahlreiche Forschungsergebnisse der Krebsimmuntherapie aus dem Labor in die klinische Anwendung übertragen werden. In den mit Prof. Ugur Sahin und Prof. Özlem Türeci gegründeten Firmen Ganymed und BionTech sind inzwischen mehr als ein Dutzend hoch innovativer Immuntherapeutika auf dem Weg zum Markt gebracht und die erste Covid-19 Impfung zugelassen worden.  Prof. Huber wirkte in beeindruckender Weise als Gutachter und Funktionsträger in nationalen und internationalen Forschungsförderungsorganisationen sowie als wissenschaftlicher Berater in deutschen Großforschungseinrichtungen wie dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, dem  GSF Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München oder dem Max-Delbrück Zentrum in Berlin. Sein Gespür für innovative Ideen, sein Blick für herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und sein Geschick, beides zusammen zu bringen, zeichnen den Träger des Bundesverdienstkreuzes, des Zukunftspreisträgers des Bundespräsidenten und Ehrenbürgers der Städte Mainz und Innsbruck besonders aus. Prof. Huber ist außerdem Autor von mehr als 450 wissenschaftlichen Publikationen in renommierten Zeitschriften, Herausgeber zahlreicher internationaler Wissenschaftsjournale, des deutschsprachigen Standardlehrbuchs „Die innere Medizin“ sowie des ersten Leitfadens für Krebsimmuntherapie.

Krebspatientinnen und -patienten passgenau behandeln

Krebserkrankungen von Gallenwegen und Leber sind das Spezialgebiet von PD Dr. Anna Saborowski, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der MHH. Die 40jährige beschäftigt sich mit den molekularen Signalwegen, die zur Entstehung von bösartigen Tumoren beitragen und sich als Angriffspunkt für zielgerichtete Therapien eignen.

Nach ihrem Medizinstudium an der MHH und ihrer grundlagenwissenschaftlichen Ausbildung als Postdoktorandin am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, NY, hat sich Anna Saborowski den Herausforderungen einer „dualen Karriere“ in Wissenschaft und Forschung gestellt: sie ist einerseits als Ärztin in die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit gastrointestinalen Tumorerkrankungen eingebunden, zum anderen leitet sie eine grundlagenwissenschaftliche Arbeitsgruppe. Die Mutter von zwei Kindern engagiert sich darüber hinaus aktiv in der Nachwuchsförderung, beispielsweise als Gleichstellungsbeauftragte eines Sonderforschungsbereiches oder innerhalb des Nachwuchsgremiums der Europäischen Leberforschungsorganisation „EASL“. Was treibt sie an? „In den vergangenen Jahren konnten durch ein verbessertes Verständnis der Pathophysiologie maligner Erkrankungen ganz neue Konzepte in onkologische Therapien integriert werden. Ich glaube, dass sich diese neuen Konzepte noch weiter ausbauen lassen und wir in naher Zukunft mehr Tumorpatientinnen- und Patienten individualisiert therapieren werden. Aktuell an der Schnittstelle zwischen Klinik und Forschung zu arbeiten, ist extrem spannend und motivierend“, sagt sie. Im Mausmodell erforscht Dr. Saborowski beispielsweise den Einfluss bestimmter genetischer Veränderungen auf einen Tumor. Eignet sich die genetische Modifikation als Zielstruktur für medikamentöse Therapieansätze? Lässt sich, zum Beispiel durch Kombination unterschiedlicher Medikamente, ein vorzeitiges Therapieversagen abwenden? Auf diese und ähnliche Fragen sucht Anna Saborowski nach Antworten.

Bildunterschrift: MHH-Präsident Prof. Dr. Michael Manns, die beiden Preisträger PD Dr. Anna Saborowski und Prof. Dr. Christoph Huber sowie Wissenschaftsminister Björn Thümler Copyright: Karin Kaiser / MHH

Quelle: https://www.mhh.de/presse-news/spitzenforschung-im-kampf-gegen-den-krebs

Zum zwölften Mal wird der Niedersächsische Gesundheitspreis von den Niedersächsischen Ministerien für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sowie für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung, der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, der AOK - Die Gesundheitskasse für Niedersachsen sowie der Apothekerkammer Niedersachsen ausgeschrieben. Gesucht werden Beispiele guter Praxis in den folgenden Preiskategorien:

1. Zurück zum gesunden Alltag: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene stärken

2. Gender und Gesundheit: Angebote in der Gesundheitsversorgung und -förderung gendersensibel gestalten

3. eHealth – Digitale Technologien für mehr Gesundheit

Die Bewerbungen können bis zum 31. Juli 2022 bei der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V. eingereicht werden. Eine Bewerbung ist ausschließlich digital möglich.

Mehr hier.

Wie unterscheiden sich krebskranke von gesunden Zellen? Ein neuer Machine-Learning-Algorithmus namens „ikarus“ kennt die Antwort, berichtet ein Team um den Bioinformatiker Altuna Akalin vom MDC nun im Fachjournal „Genome Biology“. Das Programm hat eine charakteristische Gensignatur gefunden.

Wenn es darum geht, in Datenbergen Muster zu identifizieren, ist ein Mensch einer künstlichen Intelligenz (KI) chancenlos unterlegen. Besonders das maschinelle Lernen, ein Teilbereich der KI, wird oft eingesetzt, um Gesetzmäßigkeiten in Datensätzen zu finden – sei es zur Aktienmarktanalyse, Bild- und Spracherkennung oder der Klassifizierung von Zellen. Um Krebszellen zuverlässig von gesunden Zellen zu unterscheiden, hat ein Team um Dr. Altuna Akalin, Leiter der Technologieplattform „Bioinformatik und Omics-Datenwissenschaft“ am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), nun ein Machine-Learning-Programm namens „ikarus“ entwickelt. In den Tumorzellen fand das Programm ein krebsübergreifendes Muster, bestehend aus einer charakteristischen Kombination an Genen. Der Algorithmus entdeckte in dem Muster außerdem Arten von Genen, die man bislang nicht eindeutig mit Krebs in Verbindung gebracht hatte, schreibt die Forschungsgruppe im Fachjournal „Genome Biology“.            
 
Maschinelles Lernen bedeutet im Grunde, dass ein Algorithmus anhand von Trainingsdaten selbstständig lernt, bestimmte Fragestellungen zu beantworten. Seine Strategie ist dabei, nach Mustern in den Daten zu suchen, die ihm bei der Problemlösung helfen. Nach der Trainingsphase kann das System das Gelernte verallgemeinern und somit unbekannte Daten beurteilen. „Eine große Herausforderung war, geeignete Lerndatensätze zu bekommen, bei denen Fachleute bereits eine präzise Einteilung der Zellen in ‚gesund’ und ‚krebskrank’ vorgenommen hatten“, erzählt Jan Dohmen, der Erstautor der Studie.           
 
Eine überraschend gute Trefferquote    
 
Obendrein sind Datensätze aus Einzelzell-Sequenzierungen häufig verrauscht. Das bedeutet: Die Informationen über die molekularen Eigenschaften der einzelnen Zellen sind nicht ganz genau – weil zum Beispiel in jeder Zelle eine unterschiedliche Anzahl Gene erkannt wird oder die Proben nicht immer gleich verarbeitet werden. Sie hätten unzählige Publikationen durchforstet und etliche Forschungsgruppen kontaktiert, um ausreichend gute Datensätze zu bekommen, berichten Dohmen und sein Kollege Dr. Vedran Franke, der Ko-Leiter der Studie. Mit Daten von Lungen- und Darmkrebszellen trainierte das Team den Algorithmus schließlich, bevor dieser auf Datensätze von weiteren Tumorarten angewendet wurde.           
 
In der Trainingsphase musste ikarus eine Liste charakteristischer Gene finden, anhand derer das Programm die Zellen einteilen konnte: „Wir haben verschiedene Ansätze ausprobiert und verfeinert“, sagt Dohmen. Eine zeitintensive Arbeit, wie alle drei Forscher erzählen. „Ausschlaggebend war, dass ikarus letztlich zwei Listen nutzte: eine für Krebsgene und eine für Gene anderer Zellen“, erklärt Franke. Nach der Lernperiode konnte der Algorithmus auch bei anderen Krebsarten zuverlässig zwischen gesunden und krebskranken Zellen unterscheiden, etwa in Gewebeproben von Leberkrebs oder Neuroblastomen. Seine Trefferquote lag meist nur wenige Prozent daneben. Das hat auch die Forschungsgruppe überrascht: „Wir haben nicht erwartet, dass eine gemeinsame Signatur existiert, die Tumorzellen von verschiedenen Krebsarten so genau definiert“, sagt Akalin. „Noch können wir allerdings nicht sagen, dass die Methode für alle Krebsarten funktioniert“, fügt Dohmen hinzu. Damit ikarus zuverlässig bei der Krebsdiagnose helfen kann, wollen die Forschenden ihn noch an weiteren Tumorarten testen.

KI als vollautomatische Diagnose-Hilfe  
 
Die Klassifizierung „gesund“ versus „krebskrank“ ist dabei längst nicht das Ende des Projekts. In ersten Tests konnte ikarus bereits zeigen, dass sich die Methode auch andere Zelltypen oder bestimmte Subtypen von Tumorzellen unterscheiden kann. „Wir wollen den Ansatz verallgemeinern“, sagt Akalin, „also ihn derart weiterentwickeln, dass er alle möglichen Zelltypen in einer Biopsie unterscheiden kann“.
 
In der Klinik schauen sich Pathologen Gewebeproben von Tumoren meist nur unter dem Mikroskop an und identifizieren so die unterschiedlichen Zelltypen. Das ist mühsam und kostet viel Zeit. Mit ikarus könnte dieser Schritt irgendwann vollautomatisch ablaufen. Außerdem könne man aus den Daten zusätzlich etwas über die unmittelbare Umgebung des Tumors ableiten, sagt Akalin. Das wiederum könnte den Ärztinnen und Ärzten helfen, eine optimale Therapie auszuwählen. Denn oftmals deute die Zusammensetzung des Krebsgewebes und der Mikroumgebung darauf hin, ob eine bestimmte Behandlung oder ein Medikament anschlagen wird oder nicht. Darüber hinaus hilft die KI möglicherweise, neue Medikament zu entwickeln: „Wir können mit ikarus Gene identifizieren, die potenzielle Treiber der Krebserkrankung sind“, sagt Akalin. Neuartige Wirkstoffe könnten dann an diesen molekularen Zielstrukturen ansetzen.            
 
Zusammenarbeit im Home-Office          
 
Bemerkenswert an der Publikation sei, dass die notwendigen Arbeiten vollständig während der Coronapandemie durchgeführt wurden. Alle Beteiligten waren zu der Zeit nicht an ihren normalen Arbeitsplätzen im Berliner Institut für Medizinische Systembiologie (BIMSB), das zum MDC gehört. Sie hielten im Home-Office nur über digitale Kanäle Kontakt. „Das Projekt beweist, dass man eine digitale Struktur schaffen kann, die wissenschaftliche Arbeiten unter diesen Bedingungen ermöglicht“, hebt Franke hervor.

Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC)
 
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft gehört zu den international führenden biomedizinischen Forschungszentren. An den MDC-Standorten in Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscher*innen aus rund 60 Ländern das System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen kleinsten Bausteinen bis zu organübergreifenden Mechanismen. Wenn man versteht, was das dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ oder im ganzen Körper steuert oder stört, kann man Krankheiten vorbeugen, sie früh diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung sollen rasch Patient*innen zugutekommen. Das MDC fördert daher Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken. Besonders eng sind die Partnerschaften mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin im gemeinsamen Experimental and Clinical Research Center (ECRC) und dem Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Am MDC arbeiten 1600 Menschen. Finanziert wird das 1992 gegründete MDC zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent vom Land Berlin.

Bildunterschrift: Proben von Darmkrebstumoren kann man – gemäß der Genexpression – in vier Standard-Subtypen einordnen. Die Plattform maui hat die Proben ähnlich klassifiziert. Allerdings gibt es nun Hinweise darauf, dass Subtyp 2 (in grün, Abbildung A) eigentlich in zwei Subtypen unterteilt werden müsste (grün und hellblau in Abbildung B).  

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Altuna Akalin           
Leiter der Technologieplattform „Bioinformatics and Omics Data Science“
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC)            
+49 30 9406-4271        
Altuna.Akalin@mdc-berlin.de

Originalpublikation:

Jan Dohmen et al. (2022): „Identifying tumor cells at the single-cell level using machine learning“. Genome Biology, DOI: 10.1186/s13059‐022‐02683‐1

Weitere Informationen:

https://genomebiology.biomedcentral.com/track/pdf/10.1186/s13059-022-02683-1.pdf - Paper
https://www.mdc-berlin.de/de/news/press/maui-deep-learning-krebs-kuenstliche-int... -

Quelle: https://idw-online.de/de/news795386

Weitere 13 Millionen Euro fürs Klinikum Braunschweig vom Land

Ende 2023 wird der Standort Holwedestraße des Städtischen Klinikums seine Pforten schließen. Alle aktuell dort befindlichen Bereiche ziehen dann in die Salzdahlumer Straße. Ein Großprojekt nicht nur für Braunschweig, sondern auch für Niedersachsen: Nachdem das Land in diesem Jahr bereits 20 Millionen Euro für das Projekt in das Investitions­programm aufgenommen hatte, kommen nun weitere 13 Millionen hinzu.

Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum: „Damit leistet das Land einen weiteren wichtigen Beitrag für das derzeit größte öffentliche Investitionsprojekt in Braunschweig. Mit dem Zwei-Standorte-Konzept  können wir unseren regionalen Maximalversorger für die Zukunft sicher aufstellen.“

Neben den Fachbereichen Ästhetische, Plastische und Handchirurgie und der HNO-Klinik ziehen auch die Unfallchirurgie und die Orthopädie von der Holwedestraße in die Salzdahlumer Straße um. Durch die Zusammenlegung wird die größte zentrale Notaufnahme außerhalb der Universitätskliniken in Niedersachsen entstehen – sie wächst von 950 auf 1450 Quadratmeter, aus bisher 27 Behandlungsplätzen werden 40.

Quelle: Stadt Braunschweig | presse-service.de

Melanie Wendling wird neue Geschäftsführerin des bvitg

Führungswechsel beim Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e. V.: Melanie Wendling übernimmt die Geschäftsführung des Verbandes und tritt die Nachfolge von Sebastian Zilch an. „Wir schauen dankbar auf Jahre erfolgreicher Arbeit von Sebastian Zilch als Geschäftsführer des Verbandes zurück. Gleichzeitig freuen wir uns sehr, dass wir mit Frau Melanie Wendling wieder eine außerordentlich kompetente Geschäftsführerin gefunden haben, die mit dem Gesundheitswesen bestens vertraut ist und mit unseren Mitgliedern die Digitalisierung in Deutschland weiter voranbringen wird“, erklärt Gerrit Schick, Vorstandsvorsitzender des bvitg.

Melanie Wendling war zuletzt als Abteilungsleiterin Gesundheit und Rehabilitation bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung tätig. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und Abschluss der RTL-Journalistenschule arbeitete sie als persönliche Referentin von Bundesministerin Ulla Schmidt und Bundesminister Philipp Rösler im Bundesministerium für Gesundheit. Im Anschluss wechselte sie zu Telekom Healthcare Solutions, wo sie die Politik und Verbandsvertretung verantwortete.

„Die Digitalisierung des Gesundheitswesens hat in den letzten Jahren rasant an Tempo gewonnen. Ich freue mich sehr darauf, diesen Wandel zusammen mit dem Team des Bundesverbandes Gesundheits-IT aktiv mitzugestalten – zum Wohle der Patient*innen und als vernehmbare Stimme der IT-Anbieter in Deutschland”, sagt Melanie Wendling. Der auf der DMEA angekündigte partizipative Strategieprozess des Bundesministeriums für Gesundheit ist für sie eines der drängendsten Themen der nächsten Zeit: „Klar muss dabei aber auch sein: Eine nachhaltige, innovative und digitale Gesundheitsversorgung in Deutschland kann nur gemeinsam mit dem bvitg und seinen Mitgliedsunternehmen gestaltet werden”, so Wendling.

Gemeinsam mit seinen über 100 Mitgliedsunternehmen arbeitet der bvitg daran, die Gesundheits-IT für alle Versorgungsbereiche zu etablieren, um so die gesundheitliche Versorgung der Menschen in Deutschland zu verbessern.

Quelle: https://www.bvitg.de/melanie-wendling-wird-neue-geschaeftsfuehrerin-des-bvitg/

Die kartenlose Anmeldung in der E-Rezepte App ist da

Die Mobil Krankenkasse geht als eine der ersten Krankenkassen neue Wege und ermöglicht Versicherten die vereinfachte Nutzung digitaler Lösungen. Als eine der ersten gesetzlichen Krankenkassen hat sie die kartenlose Anmeldung für die E-Rezept-App umgesetzt.

Das E-Rezept ist in Deutschland bereits angekommen. Zum 1. Juni 2022 sind bereits über 25.000 E-Rezepte eingelöst worden. In den kommenden Wochen ist ein erheblicher Zuwachs zu erwarten. Bald wird jeder Versicherte in den Kontakt mit dem E-Rezept kommen.

Damit die Versicherten die Vorteile des elektronischen Rezeptes mittels App nutzen können, sind grundsätzlich eine Gesundheitskarte mit NFC-Funktion (Funkstandard zur drahtlosen Datenübertragung), eine PIN sowie ein NFC-fähiges Smartphone zusätzlich erforderlich. Für die Versicherten der Mobil Krankenkasse geht es aber auch einfacher und schneller: Als eine der ersten gesetzlichen Krankenkassen hat die Betriebskrankenkasse die kartenlose Anmeldung für die E-Rezept-App umgesetzt. Alle Versicherten, die ein sicheres Identifikationsverfahren durchlaufen haben, können sich damit direkt in der E-Rezept-App anmelden. Dabei wird die „ePA App“ der Mobil Krankenkasse für die Anmeldung am E-Rezept-System genutzt.

 „Die Mobil Krankenkasse leistet damit Pionierarbeit und zeigt, dass es immer auch einen konstruktiven Weg im Sinne der Versicherten gibt, um digitale Lösungen allen Beteiligten zur Verfügung zu stellen“, erklärt Florian Hartge, Chief Production Officer bei der gematik GmbH. Mario Heise, Vorstandsvorsitzender der Mobil Krankenkasse, ergänzt: „Gemeinsam mit der gematik GmbH, der Mobil ISC GmbH sowie der Research Industrial Systems Engineering (RISE) Forschungs-, Entwicklungs- und Großprojektberatung GmbH haben wir verschiedene Möglichkeiten rund um die Anmeldung für das E-Rezept geprüft und ermöglichen unseren Versicherten fortan einen kartenlosen und zeitgemäßen Zugang zur Verschreibung.“

Die neue Möglichkeit zur Anmeldung in der App löst dabei zwei Herausforderungen, die bisher die Nutzung des E-Rezepts für Versicherte erschwert haben: Zum einen umgeht sie den Umstand, dass viele Versicherte noch keine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte oder noch keine dazugehörige PIN von ihrer Krankenversicherung erhalten haben. Zum anderen können sich nun auch Versicherte in der App anmelden, deren Smartphones keine NFC-Schnittstelle haben. Diesen Versicherten wird nun über ein sicheres und vereinfachtes Anmeldeverfahren die Nutzung der E-Rezept App ermöglicht. Diese Möglichkeit besteht in Anlehnung an das Prozedere, wie es die gesetzlichen Krankenkassen auch für die elektronische Patientenakte vorsehen und bietet neben Post- bzw. Video-Ident auch die Möglichkeit, sich persönlich im Service Point seiner Krankenkasse vorzustellen. Weitere 87 gesetzliche Krankenkassen stehen ebenfalls in den Startlöchern, diesen vereinfachten Prozess für ihre Versicherten anzubieten.

Wie es konkret funktioniert, zeigt die Anleitung „Kurz erklärt“:

https://www.gematik.de/media/gematik/Medien/E-Rezept/Dokumente/gematik_KurzErklaert_E_Rezept_Fasttrack.pdf

Nds. Digitalministerium sucht Robotik Talente: Bewerben bis zum 15.8.

Mit dem „Robotik Talente Preis“ zeichnet das Niedersächsische Digitalisierungsministerium auch 2022 wieder herausragende Abschlussarbeiten und Schulprojekte auf dem Gebiet der Robotik aus. In vier Kategorien werden Preisgelder von insgesamt 10.000 Euro vergeben. Bewerbungsschluss ist der 15.8.2022

Das Niedersächsische Wirtschafts- und Digitalisierungsministerium vergibt in diesem Jahr erneut den „Robotik Talente Preis“ für Promotionen sowie Master- und Bachelorarbeiten im Bereich Robotik. Mit einem Sonderpreis soll zusätzlich ein herausragendes Schulprojekt ausgezeichnet werden. Der Preis für Schulen würdigt insbesondere die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen im Bereich Robotik, die besonders geeignet ist, soziale Barrieren und tradierte Rollenbilder zu überwinden und darüber hinaus ohne freiwilliges Engagement von Lehrerinnen und Lehrern sowie Eltern kaum möglich ist.

Preise für Promotion, Master, Bachelor und Schulprojekte

Bis zum 15.8.2022 können Bewerbungen eingereicht werden. Eine Jury aus Robotikexperten wird die Auswahl treffen. Die Auszeichnungen werden während der Digitalkonferenz TECHTIDE 2022 am 12. und 13.9.2022 übergeben. Insgesamt werden Preisgelder in Höhe von 10.000 Euro vergeben. Der „Robotik Talente Preis“ in der Kategorie „Promotion“ ist mit 3.000 Euro, in der Kategorie „Masterarbeit“ mit 2.500 Euro sowie in der Kategorie „Bachelorarbeit“ mit 1.500 Euro dotiert. Beim Sonderpreis für Schulen winkt ein Preisgeld von 3.000 Euro.

„Nachwuchs fit und sichtbar machen“

„Robotik und Künstliche Intelligenz sind zentrale Technologien für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft“, sagt Niedersachsens Digitalisierungsstaatssekretär Stefan Muhle. „Insbesondere an unseren Hochschulen arbeiten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler an den Innovationen von morgen. Mit unserem Wettbewerb wollen wir den Nachwuchs fit für die robotergestützten Veränderungen machen und die Arbeit junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Bereich Robotik sichtbar machen.“

Bewerbungen können ab sofort unter christina.blume@mw.niedersachsen.de eingereicht werden. Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung

Am 23. Juni durften wir Dinah Stollwerck-Bauer in Hannover begrüßen. Auf ihrer dreitägigen Sommertour besuchte die Landesbeauftragte für regionale Landesentwicklung Leine-Weser 15 Projekte und Initiativen im Amtsbezirk, welche die regionale Entwicklung unterstützen und voranbringen.

„Ich freue mich sehr darauf, wieder vor Ort an den vielfältigen Projekten und Initiativen in unserer Region teilhaben zu können und die engagierten Menschen kennenzulernen, die sich für ihre Anliegen einsetzen und Impulse für die weitere Entwicklung geben”, sagte sie im Vorfeld ihrer Reise.

Im Zentrum ihres Besuchs in Hannover standen drei Projekte der metropolregionalen Gesundheitswirtschaft: die Pandemiepräventionsplattform PaPräKa, das Comprehensive Cancer Center (CCC-H) sowie Emma, ein Lieferdienst für Senioren- und Pflegeheime.

Linda Hoffmeister, Projektmanagerin Gesundheit bei der Metropolregion stellte gemeinsam mit dem Projektpartner Allan Koch, Themenmanager Pandemieprävention beim Innovationszentrum Niedersachsen, das vom Amt für regionale Landesentwicklung geförderte Projekt PaPräKa vor. Ziel des interdisziplinären Projekts ist es, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit durch zahlreiche Kommunikationsmaßnahmen stärker zu vernetzen und so dazu beizutragen, schneller und effizienter auf Pandemien reagieren und diesen im besten Fall vorbeugen zu können. Des Weiteren berichtete Prof. Hans Christiansen, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und spezielle Onkologie der Medizinischen Hochschule Hannover, über die Arbeit des CCC, das von der Deutschen Krebshilfe zum onkologischen Spitzenzentrum ernannt wurde und darauf ausgerichtet ist, krebskranken Menschen eine noch bessere, individuell zugeschnittene Behandlung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu ermöglichen. Das dritte vorgestellte Projekt hat Ralph Keller ins Leben gerufen: der innovative, seniorengerechte Online-Lieferservice Emma versorgt die Bewohner*innen von Pflege- und Seniorenheimen mit den Dingen des täglichen Bedarfs. Die Bestellung wird online aufgegeben und innerhalb von 24 bis 72 Stunden geliefert. Doch das ist nicht genug. Geplant ist, zukünftig auch das Einkaufserlebnis durch die Anwendung von VR-Brillen für die Bewohner*innen in die Einrichtungen zu bringen.

Wir danken Frau Stollwerck-Bauer sowie unseren Projektpartnern für den Besuch und die Unterstützung.

Das erste Amtsjahr, Pandemie und Wissenschaft in Niedersachsen, Pandemieprävention, Digitalisierung, Pflege und Studienplätze - Daniela Behrens, Niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung und Björn Thümler, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur im Auf den Punkt.

GesundheIT: Frau Behrens, Sie sind jetzt seit etwas über einem Jahr im Amt und wir freuen uns heute erneut mit Ihnen sprechen zu dürfen. Schauen wir zunächst einmal zurück: Sie haben Ihr Amt in turbulenten Zeiten übernommen: Wie haben Sie das letzte Jahr wahrgenommen? (Sind Sie zufrieden oder hätten Sie etwas rückblickend anders gemacht?)  

Daniela Behrens: In der Tat, die Anfangszeit in der Hochphase der Pandemie war sehr turbulent und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Aber, ich war mir den Herausforderungen sehr bewusst, als mich der Ministerpräsident angerufen hat. Natürlich sieht man im Nachhinein Dinge, die noch besser hätten laufen müssen. Das ist in jeder Krisensituation so. Ein gutes Krisenmanagement erfordert, dass man schnell und trotzdem überlegt und vorausausschauend agiert. Wir sind in Niedersachsen im Vergleich mit anderen Ländern gut durch die vergangenen Monate gekommen. Das zeigt, wir haben viel richtig gemacht. Ich sage ausdrücklich „wir“, damit meine ich zum einen die Landesregierung und zum anderen mein Team im Ministerium, das mich von Anfang an konstruktiv und vertrauensvoll begleitet hat.

GesundheIT: Herr Thümler, wie blicken Sie als verantwortlicher Minister für Wissenschaft auf das letzte Jahr zurück - wie hat die Pandemie die Wissenschaft in Niedersachsen beeinflusst?  

Björn Thümler: In der Pandemie sind Wissenschaft und Forschung an sich, aber auch unsere exzellenten Forscherinnen und Forscher stärker in den Blick der breiten Öffentlichkeit getreten. Es freut mich sehr, dass auch gerade Forscherinnen aus Niedersachsen bundesweit Impulse gesetzt haben, um die Pandemie zu überwinden. Wir haben jedoch auch gesehen, dass das Verständnis für wissenschaftliche Prozesse vielfach noch geschaffen werden muss. Auch ist beunruhigend, mit wie viel Energie unsere Forschenden fachlich und persönlich angegriffen wurden, weil ihre Hinweise auf Kritik stießen. Wir haben gesehen, wie wichtig Transfer und Translation sind, um nicht nur Ideen in Niedersachsen zu entwickeln, sondern diese auch auszuwerten. Wir brauchen künftig noch leistungsfähigere Netzwerke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, ein modernes und möglichst zielgruppenspezifisches Verständnis für Wissenschaftskommunikation – und vielleicht auch einfach etwas mehr Zeit, um uns mit wissenschaftlichen Fragen zu beschäftigen und diese objektiv zu bewerten.

Themenfeld Pandemie/Prävention:

Der globale Covid-19 Ausbruch hat verdeutlicht, wie wichtig eine gute Vorbereitung zur Pandemiebekämpfung ist. Ziel des neuen Projektes PandemiePräventionsKampagnen (PaPräKa) der Metropolregion GmbH ist es, das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Präventivmaßnahmen gegen Pandemien zu schärfen, die relevanten Akteure zu vernetzen und in ihrer Arbeit zu unterstützen.

GesundheIT: Wo sehen Sie die Stärken in der Metropolregion bezüglich der Vorbereitung auf zukünftige Pandemien?

Daniela Behrens: Die Metropolregion Hannover, Göttingen, Braunschweig und Wolfsburg zeichnet sich durch eine außerordentlich gute medizinische Infrastruktur aus. Darüber hinaus ist sie ein bedeutender Wissenschafts- und Technologiestandort. An den Universitätskliniken und den außeruniversitären Einrichtungen wird unter anderem Spitzenforschung im Bereich der Infektionsmedizin betrieben. Niedersachsen hat als Innovations- und Forschungsstandort eine bundesweite Strahlkraft. Dies wird unter anderem deutlich durch die vielen und zum Teil sehr erfolgreichen Start-Ups und Firmengründungen in diesem Bereich. Eine weitere Stärke liegt in der Vielzahl medizinischer Ausbildungsstätten. Die Gesundheitsämter haben davon profifiert und konnten in der Pandemie schnell qualifiziertes und motiviertes Nachwuchspersonal als sogenannte Containment Scouts für die Kontaktpersonennachverfolgung gewinnen. Genau das war ein ganz entscheidenden Erfolgsfaktor, um die Ausbreitung des Coronavirus gut zu beherrschen. Niedersachsen ist ein vielfältiger und starker Standort. Im Bereich des Gesundheitswesens, wie auch in Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft bauen wir auf ein stabiles Fundament, das wir stetig ausbauen und auf das wir auch in Zukunft bauen können.

Themenfeld Pandemie/Long-Covid:

Die unter dem Begriff “Long-Covid“ zusammengefassten Langzeitfolgen einer Corona-Infektion sind eine Belastung für die Betroffenen und stellen zunehmend eine Herausforderung für unser Gesundheitssystem dar.

GesundheIT: Wo sehen Sie in den Forschungseinrichtungen der Metropolregion Potential, um “Long-Covid” besser zu verstehen und insbesondere die Datensammlung und- Auswertung voranzutreiben?  

Björn Thümler: Die Infektionsforschung in Niedersachsen ist sehr leistungsstark – dies gilt besonders für die Metropolregion. Besser werden können wir in Sachen Vernetzung. Hierzu leistet unser Forschungsnetzwerk COFONI einen bedeutenden Beitrag, dessen Aufbau wir mit Mitteln in Höhe von 8,4 Mio. Euro fördern. Seit Februar 2022 werden vier Projekte zu Long-Covid gefördert, von denen ich mir spannende Erkenntnisse verspreche. Wir müssen uns dem diffusen Krankheitsbild Long-Covid schrittweise nähern und daraus die richtigen Rückschlüsse ziehen. Dazu trägt auch der Expertenrat Long-Covid des MWK bei, im dem wir auch gemeinsam mit dem MS sowie der Versorgerseite Ansätze und mögliche Antworten diskutieren. Die Forschungseinrichtungen der Metropolregion sind, auch aufgrund ihrer starken Translationsorientierung, ideal aufgestellt, um zu weiteren Erkenntnisgewinnen beizutragen.

Themenfeld Digitalisierung:

Der Digitalisierungsbedarf im öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) ist während der Pandemie verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

GesundheIT: Welche Maßnahmen zur Digitalisierung wurden in den vergangenen zwei Jahren im niedersächsischen ÖGD umgesetzt, welche weiteren Maßnahmen sind konkret geplant?  

Daniela Behrens: Der ÖGD hat während der Pandemie Großartiges geleistet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind an ihre Grenzen und oft auch darüber hinaus gegangen. Dafür können wir uns gar nicht oft genug bedanken.

Die Pandemie hat Vieles im Bereich der Digitalisierung vorangebracht. Wir haben zum Beispiel landesweit in den kommunalen Gesundheitsämtern mit dem webbasierten Programm SORMAS eine digitale Infrastruktur aufgebaut, die unter anderem die Kontaktnachverfolgung erleichtert hat. Es hat sich aber auch gezeigt, dass es gerade im Bereich der Vernetzung Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Die letzten zwei Jahre haben uns gezeigt, dass ein gut ausgestatteter ÖGD ein wichtiger Grundpfeiler in der Pandemieprävention und -bekämpfung ist. Deshalb haben Bund und Länder den „Pakt für den ÖGD“ geschlossen. Für die Digitalisierung des ÖGD sieht der Pakt Bundesmittel in Höhe von 800 Mio. Euro vor. Mit diesen Mitteln sollen eine übergreifende Kommunikation sowie die Kompatibilität über alle Ebenen hinweg sichergestellt werden können. Daraus hat Niedersachsen Ende 2021 erste Finanzhilfen in Höhe von rund 6 Mio. Euro vom Bund erhalten. Wir investieren diese Mittel, um den Infektionsschutz im ÖGD zu stärken. Dazu gehört die Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie.

Mein Ziel ist es, beim Ausbau der Digitalisierung und Stärkung des ÖGD systematisch und einheitlich vorzugehen und so eine nachhaltige, zukunftsfähige Lösung mit kompatiblen Schnittstellen zu entwickeln.

Themenfeld Pflege:

Der Mangel an Pflegekräften ist und bleibt eine enorme Herausforderung für die Gesundheitswirtschaft in Deutschland (Stichwort “Pflegenotstand”). Bundesweit fehlen offenbar mindestens 35.000 Fachkräfte in der Pflege (laut Bericht des Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), erstellt 2021 i. A. des Bundeswirtschaftsministeriums). Gleichzeitig wird in der Öffentlichkeit regelmäßig ein fehlendes Bild von professioneller Pflege bemängelt.

GesundheIT: Können Sie uns Ihr Bild von professioneller Pflege beschreiben? Welche Strategien gegen den Pflegenotstand verfolgt das Land Niedersachsen? Welche Rolle nehmen dabei digitale Strategien ein? Wie geht es bei der notwendigen digitalen Transformation der Krankenhäuser weiter?

Daniela Behrens: Mein Bild von professioneller Pflege beschreibt ein System, das die Bedürfnisse der pflegedürftigen Menschen und die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte gleichermaßen im Blick behält. Gute Pflege ist nur mit motivierten Pflegekräften möglich.

Wir wissen, dass angesichts des demografischen Wandels der Versorgungsbedarf weiter steigen wird und das bisherige System an seine Grenzen stoßen wird. Auch wenn die Zahl der Pflegekräfte in Niedersachsen erfreulicherweise stetig ansteigt, müssen wir weiter dafür sorgen noch mehr junge Menschen für den Beruf der Pflegekraft zu begeistern. Ein Weg hierfür ist zum Bespiel die neue generalistische Pflegeausbildung. Sie sorgt dafür, dass Absolventinnen und Absolventen mehr Einsatzmöglichkeiten nach der Ausbildung haben und steigern so die Attraktivität des Berufsbildes insgesamt.

Wollen wir die Pflege ganzheitlich für die Zukunft fit machen, müssen wir bei der sektorenübergreifenden Versorgung ansetzen und mehr regionale Modelle entwickeln. Im Rahmen der „Konzertierten Aktion Pflege Niedersachsen“ erarbeiten wir zusammen mit den Akteurinnen und Akteuren in der Pflege Verbesserungsvorschläge in einer Reihe von Bereichen. Außerdem, das ist mir sehr wichtig, werden wir im Büro der Patientenbeauftragten eine unabhängige Beschwerdestelle Pflege einrichten.

Eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie ist ein wichtiges Mittel, um dem Pflegenotstand zu begegnen. Hier sind vor allem Maßnahmen gefragt, die praktisch im Alltag helfen. Daher fließt ein großer Teil der Mittel aus unserem Förderprogramm zur Stärkung der ambulanten Pflege im ländlichen Raum in Digitalisierungsprojekte von Pflegediensten. Bisher betrifft Digitalisierung hauptsächlich den Bereich der Organisation. Wenn ein Pflegedienst hier Zeit einsparen kann, kommt dies naturgemäß den zu pflegenden Menschen zugute. Wir sehen aber auch immer wieder Digitalprojekte, die auf eine verbesserte Kommunikation und Vernetzung zwischen Pflegenden, Angehörigen und Hausärztinnen und Hausärzten abzielen. Von diesem Austausch profitieren alle, zudem wurden dadurch in der Pandemie zusätzliche Beratungsangebote möglich, die es in dieser Form sonst nicht gegeben hätte.

Die Digitalisierung schreitet auch in den Krankenhäusern voran. Aus den Mitteln des Krankenhauszukunftsfonds werden Digitalisierungsprojekte in Krankenhäusern sowie sektorenübergreifende Digitalisierungsvorhaben gefördert. Neben dem unmittelbaren Nutzen ist dies auch ein Instrument, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, indem die Fachkompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort sinnvoll und zielgerichtet – „smarter“- eingesetzt werden kann, wo sie benötigt wird. Gleichzeitig folgen wir damit den Empfehlungen der Enquetekommission „Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen – für eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe medizinische Versorgung“ im Bereich „Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung“. Zusammen mit den Unikliniken in Hannover und Göttingen wird hier für Niedersachsen ein Fördervolumen von 400 Millionen Euro umgesetzt.

Themenfeld Medizin/Medizininformatik/Pflegeinformatik:

Neben dem Pflegenotstand gibt es auch einen zunehmenden Mangel an Ärztinnen und Ärzten, insbesondere in ländlichen Regionen. An der European Medical School (EMS) Oldenburg konnte die Zahl der Medizinstudienplätze zum WiSe 2022/2023 von 80 auf 120 erhöht werden. Im Verhältnis Einwohnerzahlen zu Studienplätzen liegt der Median in Deutschland bei rund 750 Einwohnern pro Studienplatz. In Niedersachsen kommen auf einen Studienplatz rund 1300 Einwohner.

GesundheIT: Welche Pläne zur Schaffung weiterer Studienplätze im Fach Humanmedizin gibt es in Niedersachsen und der Metropolregion?

Björn Thümler: Die niedersächsischen Standorte der Universitätsmedizin leisten einen bedeutsamen Beitrag zur Gesundheitsversorgung in Niedersachsen, aber auch bundesweit. Wir haben allein in dieser Legislaturperiode bisher schon 191 Vollstudienplätze geschaffen und sind damit bei 789 Studienanfängerplätzen in Vollzeit. Dies entspricht einer Steigerung von über 30 Prozent.

Die Fachbereiche Medizin- sowie Pflegeinformatik nehmen in der nationalen sowie internationalen Gesundheitswirtschaft eine zunehmend größer werdende Rolle ein.

GesundheIT: Welche Rolle spielt Pflegeinformatik in absehbarer Zeit in Niedersachsen?

Björn Thümler: Die Bedeutung von Daten kann in den Lebenswissenschaften gar nicht hoch genug geschätzt werden. Dies gilt besonders für die erheblichen Fortschritte in der personalisierten Medizin, die sowohl in der Krankenversorgung als auch in der Pflege spürbare Verbesserungen versprechen. Damit wir diese Potenziale nutzen können, darf uns jedoch eine wichtige Ressource nicht verloren gehen: das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in eine verantwortungsvolle Verwendung und Speicherung sensibler Gesundheitsdaten. Ich bin daher sehr dankbar, dass in der KI-Strategie der Landesregierung dieser Aspekt intensiv beleuchtet wird. Gleichzeitig bin ich zuversichtlich, dass wir aufbauend auf der Medizininformatikinitiative der Bundesregierung auch den Bedarfen in der Pflege die gebührende Aufmerksamkeit widmen werden, um zum Wohle einer alternden Gesellschaft die Lebensqualität in Niedersachsen stetig zu verbessern.

48 Stunden geballte Digital Health Power, 500 Aussteller, 11000 Besucher*innen und 300 Speaker*innen – das ist unsere Bilanz der DMEA 2022. Was die Digital Health Community nach wie vor bewegt: Digitalisierung ist Gegenwart und Zukunft, es fehlen jedoch eine umfassende Strategie und eine eigene Vision für das deutsche Gesundheitssystem – leider nichts Neues. Vor allem die Notwendigkeit einer nationalen Strategie und entsprechender Entscheidungen hat Prof. Dr. Reinhold Haux bereits vor Jahren in einer internationalen Vergleichsstudie nachgewiesen. Mehr zu den Fokusthemen hier.  

  • Interoperabilität ist eine Grundvoraussetzung für digital Health

Interoperabilität bildet die Grundvoraussetzung für die digitale Medizin, auf der Big-Data und KI-Technologien aufbauen können.  Ein Thema für die nationale Strategie? 

(“A German-Israeli dialogue about Digital Health & AI presented by ELNET-Germany", DMEA, 27.04.22, Stage A. Keynote Lauterbach DMEA 2022, 26.04.22. Vgl. auch: e-health.com, “Interoperabilität - Voraussetzung für Künstliche Intelligenz und Big Data in der Medizin”, 26.02.19)   

  • Deutschland plant eine umfassende Strategie zur Digitalisierung des Gesundheitswesens - die digitale Identität soll kommen

„Ich verstehe mich als Digitalisierungsminister und stehe in der Bringschuld“ betont Lauterbach in diesem Zusammenhang. Der Fokus liegt zunächst auf der Schaffung einer digitalen Identität aller Patientinnen und Patienten in Deutschland, welche die Grundlage für weitere digitale Anwendungen im Gesundheitsbereich bildet. Zudem stehen die Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte sowie die verpflichtende Einführung des elektronischen Rezepts auf der Agenda.   

(Keynote Lauterbach DMEA 2022, 26.04.22)  

  • Der Return on Digital muss spürbar sein

Schlechte analoge Prozesse ergeben schlechte digitale Prozesse – so weit, so bekannt. Entscheidend ist die konsequente Kundenzentrierung. Die digitale Medizin ist eine neue Medizin, nicht eine Kopie der analogen Medizin.  

(“A German-Israeli dialogue about Digital Health & AI presented by ELNET-Germany", DMEA, 27.04.22, Keynote Lauterbach DMEA 2022, 26.04.22.)  

  • Daten müssen ein Gebrauchsgegenstand werden

Gesundheitsdaten werden weniger bereitwillig geteilt als andere private Daten. Patient*innen müssen das Recht haben zu entscheiden, mit wem sie ihre Daten teilen wollen.  

(“A German-Israeli dialogue about Digital Health & AI presented by ELNET-Germany", DMEA, 27.04.22)  

  • European Vision For AI 2021  

Gegenwart und Zukunft der Künstlichen Intelligenz in Europa benötigen einen wegweisenden Rechtsrahmen. Künstliche Intelligenz muss von Menschen überwacht werden – eine echte Herausforderung, sobald wir es mit selbstlernenden Systemen zu tun haben, die ihre Algorithmen selbst programmieren. 

(Kongress: “Digitalisierung in der Pflege - nicht nur im Krankenhaus”, DMEA, 27.04.22)    

  • Green Health gewinnt an Bedeutung

Das Thema Green Health gewinnt zunehmend an Bedeutung. In Zukunft wird “digital” als Innovationsfaktor im Gesundheitswesen nicht mehr ausreichen. Nachhaltigkeit und Digitalisierung müssen im vergleichsweise emissionsstarken Gesundheitssystem zusammengedacht und -gebracht werden. Die Zielsetzung: Klimaneutralität bis 2030 im Gesundheitswesen, CO2 Bepreisung und Bewertungsmaßstäbe.  

(“Green is the new Digital - warum Digital Health in der Zukunft nicht mehr ausreicht!”, DMEA, 26. April 2022)  

  •   Telemedizin ist gekommen um zu bleiben  

Telemedizin ist eine andere Form der Medizin: Behandlung werden zunehmend so durchgeführt, dass eine körperliche Anwesenheit vor Ort durch eine digitale Anwesenheit ersetzt wird. Im Mittelpunkt steht der Patient. Die Vorteile sind vielfältig, die Herausforderungen auch. Probleme bestehen aktuell in der Abrechnung der telemedizinischen Leistungen sowie in der Akzeptanz und Umsetzung vor Ort in den Praxen. Klar ist: Telemedizin ist gekommen um zu bleiben.  

(“Telemedizin: Gekommen, um zu bleiben”, DMEA, 27. April 2022)  

  • Mehr Schnelligkeit und Mut zu Innovation  

Und zum Schluss ein Evergreen: Wir sollten nicht immer nach den 100% beim Markteintritt streben, sondern schneller werden und aus möglichen Fehlern lernen. Schnell und mutig voran ist das Motto.  (“A German-Israeli dialogue about Digital Health & AI presented by ELNET-Germany", DMEA, 27.04.22)  

In dieser Ausgabe durften wir mit Dr. Corinna Morys-Wortmann, Leiterin der Geschäftsstelle Gesundheitsregion Göttingen/Südniedersachsen sprechen.

Ich wünsche mir, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen endlich schneller Fahrt aufnimmt und es an Stelle der dicken Papierakte ein geschmeidig funktionierendes, digitales Dokumentationssystem gibt, in dem tatsächlich alle beteiligten Leistungserbringer*innen kommunizieren können.

Dr. Corinna Morys-Wortmann

GesundheIT: Frau Dr. Morys-Wortmann, welche Forschungsschwerpunkte hat Ihre Gesundheitsregion im Bereich der (digitalen) Gesundheitswirtschaft?

Morys-Wortmann: Südniedersachsen hat mit dem Institut für Medizinische Informatik an der UMG - Universitätsmedizin Göttingen einen starken Forschungspartner, der überregional und international in Netzwerke der Medizinischen- und der Versorgungsforschung eingebunden ist. Als exemplarische Beispiele seien genannt: die Medizininformatikinitiative, das HiGHmed Konsortium und das Zukunftslabor Gesundheit. Aber auch in Sachen Rechnerinfrastruktur ist Göttingen mit der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen (GWDG) ein starker Partner für die Forschung:

Der Göttinger Supercomputer „Emmy“ ist Norddeutschlands schnellster Rechner und belegte weltweit im Jahr 2020 Platz 47. Emmy ist ein System des Norddeutschen Verbundes für Hoch- und Höchstleistungsrechnen (HLRN), das von der GWDG und der Universität Göttingen betrieben wird. Auch die aQua-Institut GmbH ist im Bereich Versorgungsforschung als Partner bundesweit in viele erfolgreiche Projekte eingebunden. Ein Blick in die Praxis zeigt: intelligente, digitale Lösungen sind auch für den Krankentransport im ländlichen Raum ein wichtiger Erfolgsfaktor für Qualität, Schnittstellenmanagement und Pünktlichkeit. Hier setzt R+ MediTransport aus Gieboldehausen Maßstäbe.

GesundheIT: Was sind Ihre Zukunftsvisionen?

Morys-Wortmann: Ehrlich gesagt: als Patientin wünsche ich mir, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen endlich schneller Fahrt aufnimmt und es an Stelle der dicken Papierakte ein geschmeidig funktionierendes, digitales Dokumentationssystem gibt, in dem tatsächlich alle beteiligten Leistungserbringer*innen, von der Arzt- und Physiotherapiepraxis bis zur Hebamme kommunizieren und dokumentieren können. Aktuell gibt es schon viele Ansätze dafür, aber ein gutes Stück Weg liegt noch vor uns. Ein Beispiel für die Vernetzung der verschiedenen Leistungserbringer, auch über den engeren Kreis des Gesundheitswesens hinaus, ist unsere Plattform HEDI, die das Ziel hat, Schwangere und junge Eltern mit Hebammen, Gynäkolog*innen, Kinderärzt*innen aber auch mit sozialen Beratungsstellen zu vernetzen.

GesundheIT: Was ist das Besondere an Ihrem Projekt zur digitalen Schwangerenversorgung?

Morys-Wortmann: Mit www.hedi.app haben wir zusammen mit unserem Kooperationspartner, der aidminutes GmbH, eine mehrsprachige, kostenlose und werbefreie Plattform entwickelt. Von Anfang an wurden die zukünftigen Nutzergruppen mit in die Entwicklung einbezogen: Hebammen, Schwangere, Ärzt:innen und Fachkräfte aus den verschiedenen Beratungsstellen. Kurzfristig wurde Ukrainisch neben Deutsch, Englisch, Französisch und Farsi implementiert, so dass aktuell 160 leitlinienkonforme Informationstexte in diesen Sprachen frei verfügbar und für Südniedersachsen auch mit den entsprechenden Kontaktadressen verknüpft sind. Im Sommer werden auch das DSGVO-konforme Kommunikationsmodul, das wie die Telematikinfrastruktur den Matrix-Chat nutzt, und das Koordinationsmodul - die „virtuelle Hebammenzentrale“ - für Südniedersachsen online gehen. Aktuell sind wir bundesweit mit weiteren Landkreisen im Gespräch, die daran interessiert sind, HEDI bei sich zu implementieren. Das bietet uns die Chance, aus einem als „Soziale Innovation“ aus ESF-Mitteln geförderten Projekt den Übergang in die Verstetigung zu schaffen.

GesundheIT: Welchen Mehrwert wünschen Sie sich aus dem Verbund der Metropolregion und was bringen Sie mit?

Morys-Wortmann: Der Mehrwert der Metropolregion sollte nach innen in einer guten Vernetzung der verschiedenen Institutionen und aktiven Mitglieder aus allen thematischen und regionalen Bereichen liegen. Nach außen kann sie durch eine überregionale Sichtbarkeit der Themen, Projekte und Kompetenzen in der Region z.B. durch gemeinsame Messeauftritte und andere Marketingmaßnahmen einen wirklichen Mehrwert schaffen.

Was wir mitbringen: Südniedersachsen besitzt neben der UMG eine sehr hohe Dichte an Forschungsinstituten und Firmen im Life Science Bereich und damit auch der Gesundheitswirtschaft. In der Gesundheitsregion, die Stadt und Landkreis Göttingen und die Landkreise Northeim und seit Anfang 2022 auch Holzminden umfasst, ist jeder fünfte Arbeitsplatz dem Gesundheits- und Sozialwesen zuzuordnen. Thematisch sind Neurowissenschaften und Bioimaging wichtige Themen. Die Life Science Factory, der Gesundheitscampus Göttingen und Firmen wie Sartorius, Evotec und Ottobock sind die Leuchttürme der Region.

GesundheIT: Vielen Dank für Ihre Zeit, Frau Dr. Morys-Wortmann.

Bereits nach einer Woche konnte Susanne Kiesewetter das KRH Klinikum Siloah wieder verlassen. Neben den regelmäßigen Nachsorge- und Begleituntersuchungen ihrer Lebererkrankung sind ihr für die kommenden Wochen nur drei kleine Punkte und ein etwa vier Zentimeter langer Schnitt auf dem Bauch geblieben. „Ich bin total froh, dass das Ding endlich raus ist und dass es mir schon wieder so gut geht“, gesteht die 53-Jährige. Das sie Teil einer Premiere war, spielt für sie nur eine Nebenrolle.

Auch aus Expertensicht ist alles optimal gelaufen, bestätigt Prof. Dr. Josef Fangmann, Sektionsleiter für hepatobiläre Chirurgie in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und minimalinvasive Chirurgie im KRH Klinikum Siloah: „Frau Kiesewetter hat das Problem, dass sich auf ihrer Leber gutartigen Geschwüre, so genannte Adenome bilden. Eines dieser Geschwüre bereitete ihr besondere Probleme. Es freut uns sehr, dass wir ihr mit der Entfernung ein Stück Lebensqualität zurückgeben konnten.

Natürlich stehen für die Behandler auch das Wohlergehen der Patientin und der erfolgreiche Eingriff im Mittelpunkt. Das Besondere aus Sicht der medizinischen Experten war jedoch, dass es zum ersten Mal gelungen ist, einen leberchirurgischen Eingriff mit Hilfe des DaVinci OP Roboters durchzuführen. „Seit Anfang 2022 wird dieser am Klinikum Siloah auch für Operationen am Dick- und Enddarm und an der Bauchspeicheldrüse eingesetzt“, verdeutlicht Dr. Heiko Aselmann, Sektionsleiter für roboterassistierte Chirurgie in der Klinik für Allgemeinchirurgie. „Jetzt auch solche großen Operationen minimalinvasiv anbieten zu können, ist ein weiterer Meilenstein in unserer Entwicklung.“

„Möglich geworden ist dies durch unsere besondere Expertise und Vernetzungskultur“, beschreibt Prof. Dr. Julian Mall, Chefarzt der Klinik die Rahmenbedingungen unter denen diese Behandlung möglich war. „Sowohl die roboterassistierte Chirurgie als auch die Leberchirurgie sind Bereiche, die eine hohe Spezialisierung der Behandler erfordern. Ein unglaublicher Mehrwert für unsere Patient*innen entsteht dann, wenn es uns wie in diesem Fall gelingt, das Können und Wissen effektiv zusammenzubringen.“

Nicht in jedem Fall ist ein roboterassistierter Eingriff die richtige Wahl – Es kommt auf die individuelle Problemlage des Patienten an. Grundsätzlich gilt aber, dass durch den Einsatz des DaVinci-Assistenzsystems größere Schnitte auch bei komplexen Eingriffen wie Leberoperationen vermieden werden können. Minimal invasive Eingriffe an der Leber führen zu einem geringeren Blutverlust, weniger postoperativen Schmerzen, einem kürzeren Krankenhausaufenthalt und einer schnelleren Erholung und sind dabei genauso sicher, wie klassische Operationen.

„Wir werden dieses Feld der roboterassistierten Leberchirurgie am KRH Klinikum Siloah schrittweise weiterentwickeln“, erklärt Robotikexperte Aselmann und der Leberspezialist Fangmann ergänzt hörbar zufrieden: „Der erste Meilenstein ist jedenfalls gesetzt.“

Quelle: Expertenteam meistert komplexen Eingriff bei junger Patientin (krh.de)

Bildquelle: KRH Klinikum Hannover

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