Seit diesem Monat ist der digitale Corona-Impfnachweis in Deutschland erhältlich. Die App „CovPass“ wird nach Angaben des Gesundheitsministeriums nun schrittweise ausgerollt. Der digitale Nachweis kann direkt nach der Impfung erstellt werden lassen. Auch ist eine nachträgliche Ausstellung in Arztpraxen, Impfzentren oder Apotheken möglich.
Zur Funktionsweise: Nach der vollständigen Impfung kann der Impfpass vorgelegt werden, um den QR-Code zu erhalten, der per Handy in die CovPass-App eingescannt wird. Unter https://www.mein-apothekenmanager.de/ findet sich eine Übersicht, welche Apotheken die Ausstellung des QR-Codes anbieten. Auch kann der Code per Post angefordert werden. Zukünftig soll die App neben der Impfung auch die Genesung von einer Corona-Infektion oder eine negative Testung anzeigen. Ab Juli soll der Digital-Pass auch für das grenzüberschreitende Reisen in der EU genutzt werden können. Eine weiterführende Erklärung der App ist auf der Website des Robert Koch Instituts zu finden.
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/coronavirus-digitaler-impfnachweis-ab-heute-erhaeltlich.1939.de.html?drn:news_id=1268120 und https://digitaler-impfnachweis-app.de/
Bildnachweis: Startseite https://digitaler-impfnachweis-app.de/
Antworten rund um den digitalen Impfpasse hier: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus/faq-covid-19-impfung/faq-digitaler-impfnachweis
Die Redaktion GesundheIT hat Herrn Prof. Dr. Thomas Deserno, Stv. Geschäftsführender Direktor des PLRI für medizinische Infomatik der TU Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover um einen Kommentar gebeten.
GesundheIT: Herr Deserno, wie haben Sie den Prozess zum digitalen Impfnachweis wahrgenommen? Warum wird hier auf eine analoge Lösung in einem digitalen Prozess gesetzt, welche Probleme entstehen hier und welcher alternative Lösungsansatz bietet sich an?
Das Robert Koch Institut entwickelt die CovPass App als Open Source Projekt. Das Programm ist somit transparent und Bugs, wie z.B. die Datumsumstellung am Handy, die zum fälschlichen Anzeigen des vollständigen Impfstatus führte, können schnell identifiziert und behoben werden. Das Problem des digitalen Impfausweises, wie er mit der CovPass App in Deutschland nun umgesetzt wurde, ist m.E. aber weniger softwaretechnisch als prozesstechnisch. Der CovPass wird in Zukunft Türen und Tore öffnen. Geimpfte werden vieles dürfen oder einfacher tun können, als Nicht-Geimpfte. Das ist eine ganz andere Bedeutung, als bei der Einführung des gelben WHO Impfpasses auf Papier seinerzeit angedacht wurde.
Mein gelber Impfpass wurde beispielsweise auf meinen Geburtsnamen "Lehmann" ausgestellt. 2006 habe ich meinen Namen in Deserno geändert und so wurde vom Arzt einfach ein weißes Klebchen aufgesetzt. Das hat bei der Ausstellung des EU Zertifikates kein Problem gemacht. Auch musste ich meine Maske nicht abnehmen, damit das Bild im Ausweis überhaupt hätte verglichen werden können. Mein Personalausweis, den ich zusätzlich vorgelegt habe, weist einen anderen Wohnsitz aus. Damit ist ein Impfpass leicht an andere Personen weiterzugeben. Pandemieleugner oder Impfgegner werden nicht auf die Vorzüge verzichten wollen und sich auch nicht-geimpft ein EU Zertifikat besorgen (können).
Eine datenschutzfragwürdige Erfahrung war die Erstimpfung meines Sohnes. Während er die 15 min Ruhepause verbrachte, bin ich in die nächste Apotheke gegangen und konnte das digitale Zertifikat mit Impf- und Reisepass auch für eine andere Person bekommen. Was uns leider erst zu Hause auffiel: Das Zertifikat mit Name / Geburtsdatum / Impfdatum etc. war auf eine ganz andere Person ausgestellt. Wie diese Verwechslung zustande gekommen ist, lies sich nicht mehr rekonstruieren. Das Zertifikat wurde mir in einer anderen Apotheke noch einmal korrekt ausgestellt; hier wurde ich übrigens vor Entgegennahme gebeten zu prüfen, ob alle Angaben korrekt seien, also ein anderer Ausstellungsprozess.
Diese Beispiele machen deutlich, dass die einfache Papierbasis, die Medienbrüche und die manuellen Schritte im Prozess das Hauptproblem darstellen. Es könnte vermieden werden, wenn ein eineindeutiger Gesundheits-Identifyer (Master Patient Index, MPI) bei Geburt für alle vergeben werden würde (für Steuerbelange ist so etwas in Deutschland bereits möglich). Dort wären dann alle medizinisch relevanten Informationen (wie z.B. eine Impfung, bei der die QR Codes mit MPI und Serum-Charge vom Impfenden gescannt werden) mit Bezug auf diesen MPI in der elektronischen Gesundheitsakte, die wir in Deutschland leider auch noch nicht haben, direkt enthalten. So könnte eine Impfung automatisch in das Format des EU Zertifikates gewandelt und auf dem Handy zur Anzeige gebracht werden, ohne Papierbasen und manuelle Dateneingaben im Prozess. Meine Disziplin, die Medizinische Informatik, muss hier weiterhin tragfähige Lösungskonzepte erarbeiten und unsere Entscheidungsträger sollten die akademische Expertise dann auch beachten.