Ralph Keller, Gründer des Online-Shops für Senior*innen "MyHilda" und des Lieferdienstes "Emma" im Gespräch über die Idee, die Funktionsweise, Einsatzszenarien und nächste Schritte.
Herr Keller, wie kam es zu Ihrer Idee, einen Online-Shop für Senior*innen zu gründen und was macht myHilda so besonders?
Alles begann im Jahr 2001, als ich zum ersten Mal in ein Seniorenheim fuhr, um den Bewohner*innen Mode zu präsentieren, sie zu beraten und ihnen neue Kleidungsstücke zu verkaufen. Die Menschen waren so dankbar für die Möglichkeit, sich selbst bestimmt – ohne die Hilfe der Angehörigen oder des Pflegepersonals – neu einzukleiden, dass ich daraus ein Geschäftsmodell entwickelte und 15 Jahre lang Senior*innen in zahlreichen stationären Alteneinrichtungen mit meiner „mobilen Modeboutique“ besuchte.
Über die Jahre wurde jedoch immer deutlicher, dass ich die große Nachfrage aus logistischen Gründen nicht optimal bedienen konnte. Ich begann, das Angebot zu digitalisieren: Die Senior*innen sollten sich mein gesamtes Sortiment auf dem Tablet anschauen und bestellen können. Im Jahr 2017 wurde meine Idee mit dem zweiten Platz beim Startup-Impuls Wettbewerb der Wirtschaftsförderung Hannover ausgezeichnet. Daraufhin entwickelte ich gemeinsam mit einer Firma aus Düsseldorf einen Prototyp für einen seniorengerechten Onlineshop – der Beginn von myHilda. Nach weiteren Gesprächen mit den Heimbewohner*innen wurde mir klar, dass über Kleidung hinaus ein großes Interesse an Produkten des täglichen Bedarfs besteht. Viele Menschen können ihre persönlichen Einkäufe nicht mehr selbstständig erledigen, haben aber keine Angehörigen zur Unterstützung oder wollen diesen nicht zur Last fallen. Ich kaufte daher Drogerieartikel, kleine Snacks und Zeitschriften ein und startete im März 2018 eine Art mobilen Kiosk-Verkauf im Altenheim. Das lief sehr gut an: Die Bewohner*innen bestellten Produkte bei mir vor, freuten sich jede Woche auf den Kiosk, und ich bekam immer mehr Anfragen von verschiedenen Pflegeeinrichtungen.
Der nächste Schritt: Die Verbindung des mobilen Kiosk-Verkaufs mit der Idee des seniorengerechten Onlineshops. Gemeinsam mit meinem Co-Gründer entwickelte ich die Lösung: „Emma“, ein digitaler Lieferdienst für stationäre Pflegeeinrichtungen mit einem umfangreichen Sortiment kleiner Artikel des persönlichen Bedarfs. Aufgrund der großen Nachfrage nach „Emma“ wird das Projekt, das auf 20 Jahren Erfahrung in der Pflegebranche beruht, gerade auf Hochtouren weiterentwickelt.
Für eine Vorstellung des Emma Lieferdienstes im Videoformat klicken Sie auf eines der Bilder.
Wo ist der Online-Shop bereits im Einsatz und wie ist bisher das Feedback?
Emma ist bundesweit in Senioren- und Pflegeeinrichtungen sowie im ambulanten Dienst und in Behinderteneinrichtungen im Einsatz. Das Feedback ist von allen Seiten sehr positiv. Denn mit dem digitalen Lieferdienst ermöglichen wir alten und pflegebedürftigen sowie immobilen Menschen, sich selbstbestimmt ihre individuellen Wünsche zu erfüllen, ohne das Gefühl zu haben, Pflegekräften oder Angehörigen zur Last zu fallen. Gleichzeitig bedeutet diese Art der Teilhabe tatsächlich eine Entlastung für Angehörige und das Pflegepersonal. Mit Emma sichern wir z.B. die Grundversorgung mit Körperpflege-Produkten in Pflegeeinrichtungen. Eine Mitarbeiterin in einem Altenheim sagte kürzlich zu mir: „Dank Emma brauche ich nun nicht mehr viele kleine Besorgungen außer Haus zu erledigen. Ich habe viel mehr Zeit, mich um die Bewohner*innen zu kümmern.“
Wie kann Emma im Rahmen der Entwicklungsplattform Innovative Pflege „InCa 4D“ noch weiter zur Entlastung der Pflegekräfte beitragen?
Momentan ist es in den meisten Fällen noch so, dass eine Pflegekraft die Bestellungen der pflegebedürftigen Personen aufnimmt und diese manuell ins Emma-Bestellsystem einpflegt. Unser Ziel ist es, dass in Zukunft ein humanoider Roboter diese Aufgabe übernimmt. In Japan ist dieses Szenario bereits Realität: Ein Roboter wie „Pepper“ oder „Cruzr“ fährt direkt zu den Bewohner*innen und fragt, welche Produkte sie geliefert bekommen möchten. Im Rahmen des Forschungsprojektes entwickeln wir gerade so eine Lösung für den Bestellvorgang.
In einem zweiten Teil des Konsortiums beschäftigen wir uns mit der Auslieferung der Waren: Während heute noch die Pflegekräfte dafür zuständig sind, die vorsortierten Warentüten mit den Emma-Bestellungen auf die Zimmer der Bewohner*innen zu bringen, soll auch dies in Zukunft ein humanoider Roboter übernehmen. So haben die Mitarbeitenden in der Pflege mehr Zeit für das Wesentliche: den direkten Kontakt mit den alten Menschen.
Wie sehen die nächsten Schritte für Emma im Rahmen von InCa 4D aus, was ein mögliches Geschäftsfeld in der Metropolregion angeht?
Viele Pflegeeinrichtungen in der Metropolregion kennen den Emma-Lieferdienst und seine Vorteile noch nicht. Deshalb arbeiten wir gerade aktiv daran, „Emma“ bekannter zu machen und in noch mehr Altenheimen in ganz Deutschland zum Einsatz zu bringen. Im nächsten Schritt wollen wir dann in unserem Kundenkreis Anwendungspartner für unsere Robotik-Lösung generieren. Unser Ziel ist es, die Emma-Anwendung auf den humanoiden Robotern unter Einhaltung ethischer, rechtlicher und sozialer Aspekte weiter zu optimieren, um das Pflegepersonal noch mehr zu entlasten und gleichzeitig die Lebensqualität der alten und pflegebedürftigen Menschen stetig zu verbessern. Dafür bleiben wir natürlich in ständigem Austausch mit den betroffenen Menschen – denn das ist und bleibt das Erfolgsrezept von Emma.