Mit 3D-Druck zur KI-Brosche für Demenzerkrankte: Remind im Interview

Veröffentlicht: 25. November 2024
Das Team Remind belegte beim HealthHack 2024 den zweiten Platz (Foto: Philipp Ziebart)

Wenn wir unsere Erinnerungen Revue passieren lassen, sind Erinnerungen an Erfolge wohl mit die schönsten: So zum Beispiel auch für das Team Remind, das beim HealthHack 2024 den zweiten Platz belegt hat. Dass Erinnerungen im Alter aber auch flüchtig sein können, beispielsweise bei Demenz, wissen viele Menschen aus ihrem privaten Umfeld, wenn ältere Familienmitglieder daran erkranken. Hier hat Remind angesetzt und eine KI-Brosche entwickelt, in die ein Verdampfer und ein Sprachmodell integriert sind. Der Lohn: Der zweite Platz bei unserem Hackathon im April und womöglich für demenzerkrankte Menschen im Anfangsstadium die Chance, sich weiter an prägende Erlebnisse aus ihrem Leben zu erinnern. Wir haben Remind zum Interview getroffen.

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Drei Mitglieder des zweitplatzierten Teams Remind arbeiten weiter an der KI-Brosche:

Michael Piszczek (4.v.l.)

Maurice Alber (5.v.r)

Samuel Sander (4. v. r.)

Redaktion: Im April habt ihr den zweiten Platz beim HealthHack belegt – wie ging es im Anschluss für euch weiter?

Maurice: Wir haben eine kleine Pitch-Tour gemacht und waren in Stuttgart, Düsseldorf und haben uns auch nochmal in Hannover beworben. Auf dieser Pitch-Tour haben wir unsere Idee vor Publikum, vor Investoren und verschiedensten Menschen vorgestellt. Wir konnten uns da auch ein bisschen vernetzen, bspw. mit LinkedIn, und auch ganz viele tolle Menschen kennenlernen, die viele Ideen schon weiterentwickelt haben. Wir haben keine Preise abgestaubt, aber wir haben gute Eindrücke und vor allen Dingen Erfahrungen gesammelt für das, was noch kommt. Und das, was noch kommt, ist sehr wahrscheinlich wesentlich mehr, wesentlich intensiver, als das, was wir bis jetzt gemacht haben, weil es einfach ein anderes Level ist. Bis jetzt hatten wir vielleicht maximal einen Prototyp, der ein bisschen was ausgesprüht hat. Der nächste Prototyp, an dem wir jetzt sitzen, soll schon funktionieren. Das dauert aber auch. Das ist eine Entwicklungszeit, die ist nicht schnell getan, sondern, das wird noch ein Jahr, wenn nicht sogar noch länger dauern.

Redaktion: Euer Team war recht groß mit neun Mitgliedern. Einige hatten auch schon einmal an unserem Hackathon teilgenommen. Was begeistert euch an dem Format?

Michael: Das echt Coole ist, dass man in so kurzer Zeit Ergebnisse erzielt. Es war echt bemerkenswert. Wir haben angefangen und hatten ja schon ein bisschen was gehabt, aber das war im Endeffekt auch nicht viel. Aber wie sich das dann entwickelt hat in der kurzen Zeit! Und dass auch jeder seine Expertise einbringen konnte. Ich weiß noch, wir hatten Expertise in der Pflege, was uns auch auf jeden Fall geholfen hat, die Idee weiterzuentwickeln. Wir hatten Expertise im Coding, im Front-End, in der App-Entwicklung. Dass man diese ganzen Stärken dann vereinen konnte…Das war echt unglaublich, was am Ende dabei herumgekommen ist. Das war echt cool und auch das, was mich an diesem Format unter anderem begeistert.

Maurice: Dem kann ich nur zustimmen. Das ist eine sehr geballte Kompetenz. Und auch die Mentoren zum Beispiel sind super unterstützend und bringen noch was anderes mit ein und eben diese Professionalität. Du kennst deinen Fachbereich, aber ich glaube, die anderen Verknüpfungen sind schon wichtig und die kriegt man da.

Redaktion: Ihr hattet in eurer Ergebnispräsentation erzählt, dass euch eigene Erfahrungen im Umgang mit Demenzerkrankten zu eurer Idee inspiriert haben. Wie entstand daraus die Idee mit der duftenden KI-Brosche?

Maurice: Man kennt das ja, wenn man etwas riecht, was so ähnlich riecht, wie das Weihnachtsessen, das man kennt, oder wie die eigenen Lieblingskekse. Und die erinnern dich direkt an die Situation. Deswegen dachten wir daran: Wem kann man damit helfen? Wo ist der Use-Case dafür, dass du ein solches Tool, ein solches Gadget in deinem Alltag nutzen kannst? Und wenn ich sogar erkrankte Menschen damit behandeln kann…Am Anfang waren wir sehr offen in der Ideenfindung. Wir haben uns ja schon letztes Jahr im Frühjahr damit beschäftigt und im Hackathon haben wir dann Diana kennengelernt, die in der Pflege unterwegs war und uns das quasi nochmal bestätigt hat. Dieser Use-Case, der kann helfen. Zwei der Mentoren waren Mediziner und haben uns das auch nochmal bestätigt. Das heißt, wir haben uns lange vorher Gedanken gemacht: Wo kann so ein Use-Case „Erinnerungen schaffen“ von Vorteil sein, außer bei Hochzeiten. Aber das könnte ja auch ein Use-Case sein, wenn du deine Hochzeit abspeichern möchtest, ein besonderer Tag im Leben, den du nie vergessen möchtest. Und am schönsten, wenn man sich das mal vorstellt: Du kannst diese Hochzeit, das Gefühl, die Person deines Lebens in einem Duft speichern und immer wieder abrufen, dein Leben lang. Aber wenn du das Tool dann noch als Mittel gegen Demenz verwenden kannst, dann ist das ja nochmal ein stärkerer Use-Case. Die Idee bietet also viele Use-Cases. Und da sind wir jetzt ja auch dabei: Dass wir versuchen, viele Bereiche zu explorieren: Was kann man damit noch machen? Und vielleicht fangen wir auch ein bisschen kleiner an. Deswegen war Hochzeit so ein Keyword.

Michael: Was natürlich auch sehr schön ist, dass man diese Entwicklung sieht, die Maurice gerade erwähnt hat: Wir haben mit einem Thema angefangen, aber das ist ja jetzt nicht nur eine starre Sicht. Wir sind auch offen für neue Sachen. Wir sind mit Demenz reingegangen in den Hackathon und das hat sich nun weiterentwickelt – ob nun Hochzeit oder weitere Business-Cases, die wir uns überlegt haben.

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Konzentrierte Arbeit: Samuel, Michael und Maurice (v.l.n.r.) bei der Ideenentwicklung (Foto: Philipp Ziebart)

Redaktion: Als recht großes Team, konntet ihr von viel Knowhow eurer Mitglieder profitieren. Wie sah die Aufgabenverteilung bei euch aus?

Michael: Wir haben uns eher so unterteilt, weil wir auch produktiv sein wollten mit dem ganzen Team – das Team war ja auch motiviert und wollte auch was erreichen. Jeder konnte sich so entwickeln wie er wollte in den beiden Tagen. Wir hatten einen coolen Mix: An einem Tisch saßen unsere drei Coder. Dann gab es Martin, der hat an der App gearbeitet, am Front-End. Diana, Maurice und ich haben an der Präsentation und der Marktrecherche gearbeitet.

Maurice: Wir haben eine klassische Dreiteilung gemacht zwischen drei verschiedenen Bereichen. Einmal Coden, Frontend, Backend. Dass man etwas zeigen kann und dass es funktioniert. Und dann gab es eine Gruppe, die hat sich um die Präsentation gekümmert und um das Design. Micha und ich waren sozusagen in einem Team und Sammy hat sich dann um den Rest gekümmert. Deswegen waren wir sehr froh, dass Martin dabei war, dass er tatsächlich übernehmen konnte, dass am Ende eine App zu sehen war. Und das in Verbindung mit dem 3D-Druck und den Gerüchen plus die neun Leute. Jeder hatte ein Team. Martin hatte zwei Leute, Sammy hatte auch zwei Leute und wir hatten auch noch Diana. Von daher waren wir dann 3-3-3. Drei Gruppen, drei Aufgabenbereiche, jeder kriegt drei Leute. Schon witzig, wie sich das einfach von selbst entwickelt hat, dass das aufgegangen ist.

Redaktion: Da bleiben wir doch mal direkt bei der 3. Ihr habt als einziges Team den 3D-Drucker vor Ort mitgenutzt. Wie seid ihr vorgegangen, um euren Prototypen zu entwickeln und was war euch beim Design wichtig?

Maurice: Wir sind ja schon mit einer groben Idee reingegangen und haben uns Gedanken gemacht: Wie groß kann das sein? Wie kann das aussehen? Ich habe überlegt: Woran kann man sich orientieren? Wie ist der Use-Case? Und ich habe mich schon vorab so ein bisschen an einer Brosche aufgehangen. Und wir wussten auch: Es muss relativ klein sein. Deshalb war es ziemlich perfekt, dass da ein 3D-Drucker stand. Damit konnten wir ja nicht rechnen. Das war reiner Zufall. Ich glaube, die Jungs haben vorher ein Kissen gemacht, das sie ad hoc besorgt haben und versehen mit der nötigen Technik haben. Und das war wirklich einfach spontan, dass man da sowas nutzen konnte. Gut war auch, dass noch zwei Experten dabei waren, die den 3D-Drucker betreut haben und die man auch gut fragen konnte. Etwas in der Hand zu haben, war am Ende auch ein guter Vorteil, um sich unsere Idee auch gut vorzustellen.

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Entwicklung des Prototyps, der später nach Zimt duftete (Foto: Philipp Ziebart)

Redaktion: Wieso hatte es denn am Ende die Form einer Brosche und wie hat das mit der Duftausstrahlung funktioniert?

Maurice: Wir haben ein Design entwickelt, was darauf basiert, dass wir drei verschiedene Duftkomponenten haben. Also es gibt drei Grunddüfte und wenn man das kombinatorisch zusammenlegt, kannst du jedem Duft quasi eine 1, eine 2 und eine 3 zuordnen und aus solchen Kombinationen kannst du dann ganz viele Düfte herstellen. Die Logik dahinter muss dann sein, dass wir drei Düfte in drei kleinen Containern haben und die müssen irgendwie am Körper Platz finden. Und dann muss da noch ein Duftsprüher dabei sein, der den Duft in Richtung deiner Nase transportiert. Es musste ein Gadget sein, ein Wearable. Auf dem Markt gibt es schon ein AI-Pin, der auch klein ist, und Laser und Kamera und sonst was hat. Das heißt, es gibt schon eine gewisse gedankliche Konkurrenz vom Geiste her, aber von der Funktion her, machen wir was ganz anderes. Unsere Grenzproportionen waren das Volumen, die Technik, die dahinter ist, es muss in der Nähe des Gesichts getragen werden können und es muss ästhetisch sein. Beim Design haben wir uns an Smartphones orientiert. Abgerundet, schlichtes Design. Im Prinzip ist es halt wirklich simpel. Und wir haben viele Zeichnungen gemacht und das haben wir dann mitgenommen zum Hackathon. 

Redaktion: Das würdet ihr auch als größte Herausforderung bezeichnen, die euer Projekt mit sich gebracht hat?

Maurice: Ja, das ist tatsächlich die Technik. Das Ganze in einem kleinen Format zu verwirklichen, ist das Schwierigste.

Michael: Eine geniale Idee von Maurice war auch, dass er diesen Transfer gemacht hat: Wo gibt es sowas schon? Und das war dann ja auch diese Druckertechnik, die du übernommen hast. Das war richtig gut, etwas Vorhandenes weiter zu innovieren.

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Riesige Freude beim Team Remind bei der Verkündung des zweiten Platzes (Foto: Philipp Ziebart)

Redaktion: Die Erstplatzierten des HealthHack24 befinden sich nun mitten in der Gründung eines Startups zu ihrer Idee. Aus eurem Team habt ihr drei euch nun herauskristallisiert, an eurer Idee weiterzuarbeiten und wollt dann künftig auch ein Startup entwickeln?

Michael: Genau, da sind wir gerade dabei. Wir haben versucht, jetzt die nächsten Schritte zu gehen. Unser eigentlicher Plan ist, uns 2025 intensiver mit der Gründung zu beschäftigen. Es bringt ja nichts, jetzt schon zu gründen, ohne, dass das Produkt endgültig fertig ist.

Maurice: Produktentwicklung in diesem Bereich ist schon schwierig. Wir haben keine App, du kannst nicht einfach im Krankenhaus mit einem Scanner Daten sammeln und dann fütterst du quasi eine Database für die App (Anm. d. Redaktion: Das Siegerteam des HealthHack 2024 hatte ein Plugin-Tool für Planer*innen von Neu- und Umbaumaßnahmen in Krankenhausbauten entwickelt. Damit soll dann automatisch eine dynamische Kollisionsprüfung in der Bauplanung ermöglicht werden.). Du musst ein haptisches Objekt entwickeln, in das dann noch eine entsprechende Mechanik integriert ist, die dann auch noch zuverlässig funktioniert. Also selbst nächstes Jahr würde ich sagen, ist schwierig. Nächstes Jahr haben wir erstmal Daten, wo ich sagen würde: Das Ding funktioniert. Und dann geht es erst in die Produktentwicklung, wo man das Ganze anwendungsfreundlich gestaltet. Ich geh schon davon aus, dass es noch mehr als ein Jahr dauern wird.

Michael: Wir überlegen strategisch auch, das schon einmal ein bisschen zu vereinfachen, damit wir auch schon einmal auf den Markt kommen. Es bringt ja auch nichts 20 Jahre an einem Produkt zu entwickeln. Deswegen sind wir da auch so ein bisschen im Zwiespalt.

Redaktion: Last but not least: Wenn ihr euch eines Tages mit eurem Device olfaktorisch an euren Sieg beim HealthHack zurück erinnern wollen würdet – nach was würde diese Erinnerung riechen?

Michael: Sie würde auf jeden Fall nach Zimt riechen, weil ich weiß noch genau, als wir auf der Bühne standen: Wir hatten unsere 3D-Drucke da mit Zimt einmassiert und deswegen wäre der Duft bei mir auf jeden Fall zimtig.

Maurice: Das Filament des 3D-Drucks hat so stark gerochen. Ich saß da locker zwei Stunden vorne und hatte den Geruch in der Nase von dem lilaschimmernden Filament. Und Zimt halt auch.

Redaktion: Damit kann die Weihnachtszeit mit vielen Erinnerungen an den HealthHack kommen. Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!

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