
Braunschweig, TRAFO Hub, Ende März 2025 - HealthHack: Die Luft vibriert von den vielen Stimmen. Überall haben sich kleine oder größere Grüppchen gebildet. Sie diskutieren miteinander, schmieden Ideen und tasten sich an Lösungswege heran, wie diese Überlegungen einen echten Impact für die Gesundheit und Pflege von morgen schaffen können. Mittendrin: Mailin Rohland, Thorben Haste, Dennis Griethe und Niklas Strecker. Von den rund zehn Teams beim Hackathon sind sie diejenigen, die die Jury nach zwei Tagen Coding und Tüfteln am meisten überzeugen. Der Lohn: Platz eins für die „Mental Health Box“, die die psychische Gesundheit von Jugendlichen verbessern soll. Knapp vier Monate und eine Gründung später sprechen wir mit dem Team über seine Idee, Kooperationspartner und gesellschaftlichen Impact.

Das Mental Health Box-Team besteht aus (v.l.n.r.):
Thorben Haste, Geschäftsleitung der BrauSer Braunschweiger Service gGmbH
Dennis Griethe, Gründer von Solid Bytes Interactive
Niklas Strecker, Mitgründer von Solid Bytes Interactive
Mailin Rohland, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Lebenshilfe Braunschweig gemeinnützige GmbH
Redaktion: Wie hat sich der Moment angefühlt, als euer Teamname beim ersten Platz verkündet wurde?
Mailin: Ich war völlig überwältigt und hatte damit überhaupt nicht gerechnet.
Niklas: Ich glaube, wir konnten das einfach nicht glauben. Aber als Team – wir haben wirklich großartig zusammengearbeitet, und es hatte sich sofort so angefühlt, als würden wir etwas Großes entwickeln.
Thorben: Ich war derjenige, der relativ zum Ende hin deutlich fester daran geglaubt hat als der Rest. Manche Ideen fühlen sich einfach richtig an – wie ein Ticket zum Erfolg. Irgendwann dachte ich: Wir haben gute Chancen, das zu gewinnen.
Dennis: Der wahre Gewinn war ja auch, die zwei Tage – dass wir uns getroffen haben.
Thorben: Wir hatten auch vorher schon gesagt, dass wir das auf jeden Fall weitermachen wollen.
Redaktion: Für alle, die euch noch nicht kennen: Was genau steckt hinter eurer "Mental Health Box"? Könnt ihr uns eure Idee in drei knackigen Sätzen erklären?
Thorben: Die Mental Health Box ist ein innovatives Konzept, das Ausstellung und den Gedanken verbindet, dass „KI ein Zugang zu Hilfsmitteln ist, aber nicht das Hilfsmittel selbst“.
Mailin: Es geht um Aufklärung und Sensibilisierung – sowohl für sich selbst als auch für das Umfeld, maßgeschneidert auf unterschiedliche Zielgruppen.
Thorben: Für mich ist es wichtig, dass wir mentale Gesundheit endlich mal als Prävention denken. Prävention angehen und nicht, wenn es zu spät ist.
Mailin: Und niedrigschwellig. Es soll Spaß machen, sich damit zu beschäftigen und es soll da sein, wo man ist, ohne dass man seine Komfortzone verlassen muss.

Das Team Mental Health Box präsentiert seine Idee vor der Jury und dem Publikum (Foto: Carisma Media/ Nico Müller)
Redaktion: Eure Zielgruppe waren ja ursprünglich Jugendliche und verschiedenste Studien haben auch gezeigt, dass die psychische Gesundheit von Jugendlichen stark gelitten hat – Corona, Ukraine-Krieg, Social Media... War das der Auslöser für eure Idee oder steckt dahinter ein persönliches Anliegen, dass ihr gesagt habt: Da müssen wir jetzt ran?
Thorben: Wir haben ja bewusst auch gefragt, als wir gepitcht haben, wer schon einmal mit dem Thema Mental Health zu tun hatte. Es gingen tatsächlich überraschend viele Hände hoch. Wir alle sind in unterschiedlichen Bereichen beruflich oder privat damit konfrontiert, und viele von uns sind persönlich betroffen, besonders seit Corona. Der entscheidende Punkt für mich ist, dass Mental Health endlich aus der Randposition heraus in den Mittelpunkt der Gesellschaft rückt. Es betrifft nicht nur Einzelne, sondern viele Menschen, insbesondere auch an Schulen. Das wird uns in Zukunft vor immer größere gesellschaftliche Herausforderungen stellen, wenn wir uns nicht frühzeitig mit diesen Themen auseinandersetzen. Es ist allgemein bekannt, dass es zu wenig Kassensitze für Psycholog*innen gibt. Die Frage ist: Wie können wir verhindern, dass Menschen überhaupt erst in eine manifeste psychische Erkrankung rutschen?
Mailin: Thorben und ich arbeiten im sozialen Bereich und sehen täglich, wie wichtig Unterstützung ist. Für uns war klar: Wir wollen junge Menschen erreichen. Wir sind jetzt auch im Gespräch mit einer Hochschule, um ein Pilotprojekt zu starten und herauszufinden, wie wir es verbessern können. Im September sind wir mit der Mental Health Box auf einem Paneltalk dabei, um Unternehmen über mentale Gesundheit aufzuklären. Das Projekt ist nicht nur für Schulen, sondern auch für andere Zielgruppen anpassbar.
Thorben: Wichtig ist bei Prävention immer: Je jünger man ansetzt, desto höher sind auch die Erfolgswahrscheinlichkeiten. Mental Health betrifft alle Altersgruppen, alle Kohorten, alle Gesellschaftsschichten, egal wo jemand herkommt. Gerade bei Menschen mit Fluchterfahrungen ist es ein riesiges Thema und KI kann in diesem Bereich viel Positives bewirken. Aber am Ende wird es ein Thema sein, das auch in Altersheimen stehen kann oder sonst irgendwo. Mental Health ist nun einmal ein gesamtgesellschaftliches Problem und kein Zielgruppenproblem.
Redaktion: Dann gehen wir doch mal direkt in die Praxis. Wie funktioniert die Mental Health Box eigentlich genau? Wo soll sie stehen, wie groß ist sie?
Mailin: Man kann sie sich von der Größe ungefähr vorstellen so wie eine Telefonzelle. Außen informiert man sich und innen geht es dann in die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema. Im Kern hilft eine KI dabei, die passenden Beratungsangebote zu finden.
Niklas: Die Box wird digital aufgebaut, mit Bildschirmen und interaktiven Elementen. Wir setzen auf Gamification, um das Thema zugänglich und spannend zu machen.
Thorben: Das ist großer Bestandteil der Idee, dass Inhalte angepasst werden können. Es gibt viele Schnittmengen zwischen jüngeren und älteren Menschen. Aber es gibt auch sehr spezifische Themen und Erfahrungen. Vielleicht ist es in der einen Alterskohorte eher das Thema Essstörungen, das eine große Relevanz hat. Mental Health ist halt wahnsinnig vielfältig und die Problemlagen von Menschen auch. Oder bei Menschen, die Fluchterfahrungen gemacht haben. Das war uns auch wichtig, dass es ein modulares System ist, das die Menschen abholt.
Redaktion: Also wird die Box dann auch mehrsprachig angeboten?
Thorben: Auf jeden Fall. Das Thema ist global und betrifft Menschen aus allen Kulturen. Wir wollen, dass die Box für alle zugänglich ist, auch in verschiedenen Sprachen. Wir reden über Inklusion, wir reden über Integration.
Mailin: Die KI nutzt ein großes Sprachmodell und bietet auch barrierefreie Optionen, etwa in leichter Sprache oder für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen. Wir stellen sicher, dass es wirklich inklusiv und barrierefrei ist.

Letzte Vorbereitungen vor dem finalen Pitch vor der Hack-Jury (Foto: Carisma Media/ Nico Müller)
Redaktion: Wie begegnet ihr mit der Box denn der Sorge, dass viele Jugendliche Hemmungen haben, sich Hilfe zu holen?
Thorben: Das ist Kern der Idee: Wie KI es schafft, Zugänge zu echten Hilfsangeboten bereitzustellen. Ich kenn das auch selber: Ich kann ChatGPT viel dümmere Fragen stellen als Mailin. Ich kann alle meine Fragen stellen ohne Scham. KI ist eine wahnsinnig gute Brücke zu Hilfsangeboten. Ich kann erstmal niedrigschwellig mit einer KI meine Problemlage besprechen. Und die KI gibt mir am Ende einen QR-Code, der mich an spezifische Hilfsangebote verweist. Im ersten Schritt kann KI eine riesengroße Stütze sein, aber echte Hilfe sollte im besten Fall am Ende auch von echten Menschen kommen.
Mailin: Die Mental Health Box ist bewusst kein „schwarzer Kasten“. Mit ihrer bunten Gestaltung und dem spielerischen Ansatz wird der Zugang zum Thema erleichtert und Hemmungen werden abgebaut. Viele kennen es bestimmt: Statt sich durch endlose Textwüsten zu kämpfen, macht man lieber einen Multiple-Choice-Test, um mehr über sich selbst zu erfahren. Genau dieses Prinzip haben wir übernommen – es soll Spaß machen und spannend sein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Redaktion: Aber letzten Endes geht es da natürlich auch um sehr persönliche Infos. Welche Rolle spielt denn da das Thema Datenschutz bei euch?
Mailin: Datenschutz ist bei uns ein großes Thema. Wir sammeln keine persönlichen Daten, keine Namen oder Geburtsdaten. Der Nutzer startet die Box einfach, die Tür öffnet sich, und es geht los – ohne dass Daten weitergegeben werden. Wir arbeiten eng mit KI-Experten zusammen, um sicherzustellen, dass alles datenschutzkonform ist.
Redaktion: Ihr habt ja jetzt gegründet. Erst einmal herzliche Glückwunsch dazu. Und ihr seid mit Hochschulen im Gespräch, ihr seid mit Krankenkassen im Gespräch, baut euer Netzwerk auf. Im September habt ihr einen Panel-Talk mit Unternehmen. Wie sieht denn konkret der weitere Fahrplan aus, bis die erste Mental Health Box in einer Schule oder Hochschule steht?
Mailin: Momentan identifizieren wir unsere Stärken und teilen die Aufgaben auf. Wir führen viele Gespräche, um die besten Partner zu finden. Ziel ist es, die erste Mental Health Box 2026 an einer Hochschule aufzustellen.
Niklas: Es zeigen sich gerade verschiedene Wege. Wir überlegen gerade, welcher Weg fühlt sich für uns am besten an, um gemeinsam unsere Vision umzusetzen.
Thorben: Jetzt geht es darum die richtigen Kooperationspartner zu finden, mit denen wir sie umsetzen können, um dann wirklich konkret in eine Pilotphase einzutreten.
Mailin: Man muss das auch mal ganz kurz festhalten: Wir kennen uns jetzt alle erst seit Ende März, im Mai haben wir gegründet – dafür haben wir schon unglaublich viel erreicht. Wir sind schon im Gespräch mit einer Krankenkasse und mit einer Universität in Süddeutschland. Wir konzentrieren uns jetzt auf Hochschulen, dann kommen Unternehmen und Berufsschulen.

Das Team Mental Health Box bei der Arbeit - ursprünglich bestand das Team aus mehr als vier Mitgliedern (Foto: Jennifer Bullert)
Redaktion: Welchen Tipp würdet ihr den Teilnehmenden beim nächsten Hackathon geben, wie sie am besten gesellschaftlichen Impact schaffen können?
Thorben: Sucht starke Partner*innen. Das ist ganz wichtig. Teams funktionieren nur gut, wenn alle Leute miteinander kompatibel sind und man Bock auf die gleichen Themen und Ideen hat. Wir haben ganz viele gesellschaftliche Themen, die bewegt werden müssen in verschiedensten Bereichen. Das hat man auch beim HealthHack gesehen. Auch die anderen Teams haben wahnsinnig coole und wichtige Themen gepitcht. Auch da sind tolle Teams entstanden, die hoffentlich noch weiter zusammenarbeiten. Wichtig ist, dass man gemeinsam eine Dynamik hat und eine gemeinsame Vision, von dem, was man tun möchte. Wenn man mal nach draußen guckt: Es gibt genug zu tun.
Mailin: Offenheit spielt eine entscheidende Rolle. Thorben und ich hatten zwar einen eigenen Pitch vorbereitet, doch als wir den Pitch von Dennis und Niklas gehört haben, war klar: Das brauchen wir nicht mehr. Es geht nicht um das eigene Ego, sondern um das zentrale Thema, das wir gemeinsam viel besser angehen können. Es ist wichtig, die Fähigkeiten der anderen anzuerkennen. Besonders bei gesellschaftlichen Problemen ist es entscheidend, sich mit anderen zusammenzutun – Teamwork hilft, relevante Themen schneller und effizienter voranzubringen.
Dennis: Tipp Nummer 1 für mich: Geht einfach hin! Ich war vorher auch kein Hackathon-Mensch, aber es hat sich gelohnt, offen zu sein und es auszuprobieren.
Mailin: Ein großes Learning, was wir jetzt auch weiterführen: Man muss kein Entwickler sein. Man muss auch nicht unbedingt Profi auf dem Gebiet sein, bei dem man einen gesellschaftlichen Impact erzeugen möchte. Wir haben zwar zu viert gegründet, aber wir suchen uns jetzt auch Menschen mit anderen Expertisen, die unser Projekt künftig bereichern.
Redaktion: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!